Grüne Zonen, eine aktive Mitarbeit der Bevölkerung und eine bessere Kommunikation in vielerlei Bereichen – das sind Maßnahmen, die renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der sogenannten No-Covid-Gruppe nun konkretisiert haben, um Deutschland in einem ersten Schritt aus dem Lockdown und in einem weiteren Schritt langfristig aus der Pandemie zu führen. Man wolle "das Leben während der Corona-Pandemie trotz der hoch ansteckenden neuen Varianten" erleichtern, schreiben die Wissenschaftler.

Bereits Mitte Januar hatte die Gruppe, der unter anderem die Virologin Melanie Brinkmann, der Internist Michael Hallek, die Politologen Maximilian Mayer und Elvira Rosert und die Physiker Michael Meyer-Hermann und Matthias Schneider angehören, ein Papier unter dem Namen Eine neue proaktive Zielsetzung für Deutschland zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 veröffentlicht. Das erklärte Ziel: eine nachhaltig niedrige Inzidenz – im Idealfall null – zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Damals hieß es, sobald die Inzidenz unter zehn liege, könne das No-Covid-Konzept greifen. Jetzt, nach mehreren Wochen des Lockdowns und sinkender Inzidenzen, rückt eine Umsetzung erstmals in greifbarere Nähe.

Die Wissenschaftlerinnen haben Handlungsoptionen formuliert, basierend auf den "international erfolgreichsten Anti-Corona-Maßnahmen". In dem Papier, das ZEIT ONLINE vorliegt, berücksichtigen die Wissenschaftler auch die Ausbreitung neuer Mutationen in Deutschland sowie die Verzögerungen bei den landesweiten Impfungen. Es könne noch mehrere Monate dauern, bis die Impfkampagne ihre Wirkung zeige, heißt es. Man müsse "vorher die Kontrolle über die Pandemie" wiedererlangen.

Kern des No-Covid-Konzepts sind die sogenannten grünen Zonen – kleine Regionen wie beispielsweise eine Stadt oder ein Landkreis in Deutschland, in denen im Idealfall keine Infektionen auftreten. Diese Zonen werden "lokal etabliert und weiten sich zu größeren zusammenhängenden Regionen aus, im Idealfall über ganz Europa", so die Vision der Wissenschaftler. Ab dem Eintritt in den einstelligen Sieben-Tage-Inzidenzbereich könnten schrittweise erste Öffnungen erfolgen, solange Gesundheitsschutzmaßnahmen aufrechterhalten und die AHAL-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen und Lüften) weiterhin konsequent befolgt werden, schreiben sie. Sobald der Status einer grünen Zone erreicht sei, sollte ein Früherkennungssystem installiert werden – unter anderem durch gezieltes und regelmäßiges Testen bei Personengruppen mit hoher Exposition, Selbsttests schon bei leichten Symptomen, Einführung von PCR-Pooling und Abwasser-Screening sowie das Vorhalten ausreichender Testkapazitäten. "Bei einem erneuten Infektionsfall unbekannten Ursprungs sollte die Ausbreitung durch effektives Ausbruchsmanagement so schnell wie möglich eingedämmt werden", heißt es weiter.

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No-Covid-Plan : Das Strategiepapier im Wortlaut

Infektionen auf null senken, virusfreie Zonen schaffen sowie Neuausbrüche rigoros bekämpfen: Das sind die Ziele der No-Covid-Strategie. Lesen Sie das Papier im Original.

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Keine Grenzschließung, aber Reisebeschränkungen

Um den Status einer grünen Zone nicht zu gefährden, sei es zudem notwendig, den Reiseverkehr zu beschränken. Die Mobilität aus roten Zonen – diese definieren die Wissenschaftler als Regionen, in denen es in den vergangenen 14 Tagen lokale Übertragungen gab außerhalb von Quarantäne oder Isolation – und in sie hinein müsse eingeschränkt werden. Essenzielle Mobilität solle erhalten bleiben, müsse aber von umfassenden Teststrategien, Quarantäne- und Hygienemaßnahmen begleitet werden. Zudem seien die Arbeitgeber gefordert, umfassende Test- und Schutzkonzepte umzusetzen, sollte sich ein Pendeln nicht verhindern lassen. In grünen Zonen hingegen sollen keine oder kaum noch Beschränkungen gelten. Auch soll die Mobilität zwischen verschiedenen grünen Zonen uneingeschränkt möglich sein.

Grenzschließungen seien für das No-Covid-Konzept nicht erforderlich, heißt es in dem Papier weiter. Wichtig könnte es jedoch sein, Gleichgesinnte innerhalb Europas zu gewinnen: "Ein effektives gesamteuropäisches Pandemiemanagement ist wahrscheinlicher, wenn sich alle Mitgliedsstaaten auf einen Strategiewechsel hin zu einem Grüne-Zonen-Modell einigen können ('No-Covid Partnership Europe')."

Eine produktive Mitarbeit der Bevölkerung ist in dem Konzept unerlässlich: Selbstverantwortliches Handeln wirke am schnellsten, schreibt die No-Covid-Gruppe. "Wer sich bei dem geringsten Verdachtsfall selbst isoliert, für eine umgehende Testung sorgt und gefährdete Kontaktpersonen erfasst und warnt, sorgt für die schnellstmögliche Unterbrechung der Infektionskette." Gleichzeitig müsste die Arbeit der Ärzte, von Teststationen, Laboren und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst verbessert werden. Hier schlagen die Wissenschaftler unter anderem die sofortige und konsequente Isolation von Infizierten, Verdachtsfällen und Kontaktpersonen vor.