Sicherheitspolitik Experten diskutieren beim Internationalen Sicherheitsforum in Bonn

Update | Bonn · Im Festsaal der Bonner Universität ist am Donnerstag das VII. Internationale Sicherheitsforum eröffnet worden. Gut 50 Wissenschaftler aus dem In- und Ausland diskutieren über Fragen der Sicherheitspolitik.

In einer Videobotschaft sprach NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zu den Teilnehmern der Tagung.

In einer Videobotschaft sprach NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zu den Teilnehmern der Tagung.

Foto: Meike Böschemeyer

Aktueller könnte das Thema des VII. Internationalen Sicherheitsforums an der Bonner Uni nicht sein: „Zeitenwende – eine neue Ära in den internationalen Beziehungen und in der Kooperation bei Sicherheitsfragen“. Es nimmt einen Begriff von Bundeskanzler Olaf Scholz auf (siehe Kasten). Bis zum Sonntag beschäftigen sich rund 50 Historiker, Politikwissenschaftler und Experten manch anderer Fachgebiete vor allem mit den Auswirkungen der Putinschen Aggression.

Unirektor Michael Hoch erinnerte zu Beginn der Tagung an den so herzlichen Empfang der Bonner für den sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow im Juni 1989 auf dem Marktplatz. Es seien die Zeiten des Vertrauens zwischen Deutschland und der Sowjetunion gewesen. Hoch rief ins Gedächtnis, was Gorbatschow und Bundeskanzler Helmut Kohl damals erklärt hatten: „Jeder einzelne Krieg muss verhindert werden, Konflikte müssen beigelegt werden und Frieden muss gesichert werden.“ Was für ein Unterschied zu 2022. Konfrontiert sei die Welt neben dem Krieg in der Ukraine mit vielen weiteren Krisen. Hoch nannte Klima, Hunger, Migration, Inflation, Energie und die Pandemie.

Ulrich Schlie, Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung, sprach vom „Schock der Invasion durch Russlands Präsidenten Wladimir Putin“, der dazu geführt habe, dass Deutschland sich dramatisch verändern musste und nun die Aufgabe habe, eine Führungsrolle in der europäischen Sicherheitspolitik wahrzunehmen. Was die Lage in der Ukraine angeht, meinte Schlie, man wisse nicht, wie es unter den derzeitigen Umständen zu einem Verhandlungsfrieden kommen könne, aber von großen Lehrern könne man lernen, dass Diplomatie und strategisches Denken stets Hand in Hand gehen müssten.

Hauschild: China könnte Wandel erzielen

Doch wie könnte es eine Chance auf Frieden geben? Nach Meinung von Elisabeth Hauschild von der Nürnberger Diehl-Stiftung kommt dafür nur die Pekinger Führung infrage. „China ist zurzeit das einzige Land, das vielleicht einen Wandel in diesem Krieg erzielen kann und einen Verhandlungsprozess anstoßen kann“, sagte sie am Nachmittag in einer Diskussionsrunde.

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin erklärte, er glaube, dass nach Ende des Krieges China der große Player auf der Weltbühne sei und mit dem Westen konkurriere – auch im globalen Süden. Dass der Westen mit seinen Werten dort einen Vorsprung habe, glaube er nicht. „Viele sehen, dass das Modell China geschafft hat, 800 Millionen Menschen aus der Armut in die Mittelklasse zu bringen“, sagte Trittin.

Auch Jan Techau, Chef der Redenschreiber im Verteidigungsministerium, meinte, China werde künftig der wahre Gegner der Nato. Apropos Verteidigung: Elisabeth Hauschild kritisierte, dass in Deutschland von der Zeitenwende geredet und ein Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr beschlossen worden sei, „aber die Industrie hat noch keinen Cent gesehen“.

Bei der Eröffnung am Mittag hatte der Schirmherr der Tagung, Ministerpräsident Hendrik Wüst, in einer Videobotschaft erklärt: „Deutschland muss sich sehr viel stärker als bisher seiner Verantwortung für die europäische Sicherheit stellen.“ Hier könne auch die Henry-Kissinger-Professur Anstöße geben. Mehr denn je werde Lehre und Forschung in Strategie und Sicherheitspolitik gebraucht, „die kreativ ist sowie frische und mutige Denkanstöße gibt und die sich auch jenseits ausgetretener Pfade bewegt“, sagte Wüst.

NRW-Ministerpräsident Wüst: Bonn verkörpert Internationalität

Bonn als internationales Kompetenzzentrum und UN-Standort sei genau der richtige Ort für einen solchen Kongress, bei dem sich Wissenschaft und Politik treffen, „um neue sicherheitspolitische Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln“. Bonn verkörpere, wofür Nordrhein-Westfalen als Ganzes stehe, nämlich Internationalität. Die transatlantischen Beziehungen seien dem Land besonders wichtig und deshalb werde man mit einem Nordrhein-Westfalen-USA-Jahr die engen Beziehungen weiter ausbauen. Wann das sein wird, sagte Wüst nicht.

Thematisch deckt die Fachtagung ein breites Spektrum ab: Bei den Diskussionen ging es am Donnerstag um Antisemitismus, die Rolle der Religion bei Konflikten oder auch um eine Renaissance der transatlantischen Beziehungen. Schwerpunkt an diesem Freitag ist das Thema Klima- und Sicherheitspolitik. Am Wochenende sollen die Teilnehmer in Kleingruppen Szenarien und Strategien entwickeln für mögliche sicherheitspolitisch-relevante Ereignisse. Vielleicht geht es da ja dann auch um eine Friedenslösung für die Ukraine.

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