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Gastbeitrag von Joachim Weber: „Putin wird alles daran setzen, den Durchbruch zu erzwingen, koste es, was es wolle“
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Vladimir Putin am Grab des unbekannten Soldaten am 23.02.2023 in Moskau.
picture alliance / SvenSimon-TheKremlinMoscow Wladimir Putin und Sergei Kuschugetowitsch Schoigu.
  • FOCUS-online-Gastautor

Die Ukraine ist längst im dritten Jahr ihres Abwehrkampfes gegen die russische Aggression angekommen. Großkrieg in Europa als mediales Grundrauschen im Hintergrund. — Merken wir noch, was auf dem Spiel steht? Und wohin schwingt das Pendel in diesem Kampf zweier ungleicher Gegner?

Niemand ist ein Prophet. Noch immer sind viele Kriegsausgänge möglich oder zumindest denkbar. Aber es gibt auch klare Trends. Wir wissen: Die westlichen Sanktionen sind bislang weitgehend wirkungslos. Russlands Wirtschaft wächst, die Europäische schrumpft. In der Zerstörung der kritischen Infrastrukturen der Ukraine macht Russland deutliche Fortschritte.

Und ganz klar: Moskau hat wieder die Initiative an der Front. Seit Monaten hält die russische Armee einen hohen Druck auf die ukrainischen Verteidiger aufrecht. Das (nicht nur) symbolträchtige Awdijiwka musste geräumt werden, und derzeit krallen sich die Ukrainer im Gelände westlich davon fest, während tiefer im Hinterland fieberhaft eine neue Verteidigungslinie aufgebaut wird. Aber auch an über einem Dutzend anderen Frontabschnitten greifen die Russen mit hohem Druck kontinuierlich an. Es ist wahr, dass sie dabei deutlich höhere Verluste erleiden als die Verteidiger . Aber Moskau kann sich das leisten. Das Land hebt nach Schätzungen westlicher Dienst jeden Monat bis zu 30.000 neue Soldaten aus, und die Fabriken produzieren im 24/7-Betrieb unaufhörlich neues Kriegsmaterial. Derzeit sind mindestens 500.000 russische Soldaten in der Ukraine im Einsatz gegenüber den ca. 170.000 bei Kriegsbeginn. Nur Kiew gehen die Soldaten aus, deren Durchschnittsalter nun bei gut 43 Jahren liegt.

Fehlende Waffenlieferungen: „Kiew geht nahezu leer aus“

Der Westen scheint unfähig, das Erforderliche zu tun. Die USA, „Arsenal der Demokratie“, Welt- und Supermacht und übrigens auch Garantiemacht für die Ukraine (Budapester Memorandum), sind nicht in der Lage, innenpolitischen Streit für ein paar Monate beiseite zu legen, um Kiew die erforderlichen Waffen zu liefern. Die gehen - 1800 gelenkte Präzisionsbomben – jetzt an Israel und an Polen (1000 Marschflugkörper); nur Kiew geht nahezu leer aus. So wird weitergehen, was die Ukrainer immer wieder beklagen: Auf den ununterbrochenen russischen Beschuss, mit mindestens 6.000 Granaten am Tag, können sie mit kaum 1000 Schuss noch antworten, und die Luftverteidigung hat ihre Raketen zu Ende März nahezu aufgebraucht.

Kommende Sommeroffensive der Russen

Noch ist den Russen kein wirklicher, operativer Durchbruch gelungen. Die einsetzende Schlammperiode, die Rasputiza, könnte den Ukrainern eine kleine Atempause vergönnen zwischen auslaufender Winteroffensive und einer neuen, wohl sehr viel massiveren Sommeroffensive der Russen, die so sicher kommen wird wie das Amen in der Kirche. Wie das enden wird? 2024 sicherlich nicht.

2023 versuchte die Ukraine in ihrer Sommeroffensive, die Tide zu drehen – vergebens. 2024 wird Putin alles daran setzen, mit seinen enormen militärischen Ressourcen einen Durchbruch zu erzwingen, koste es, was es wolle. Es ist ja nicht die Moskauer oder Petersburger Jugend, sondern Sträflinge, Kontraktsoldaten der russischen Hilfsvölker und inzwischen sogar Söldner aus Nepal und anderen verarmten Regionen, die von Putin verheizt werden.

2024 wird das Jahr der Entscheidung. Gelingen Moskau größere Durchbrüche an den Fronten – nun jederzeit möglich – dann wird es schwer, eine überlebensfähige Ukraine zu erhalten. Aber mehr noch wird darüber die US-Wahl im November entscheiden. Gewinnt Donald Trump, ist das osteuropäische „greatgame“ zu Ende: Dann wird Washington die Ukraine (und den Rest Europas?) Moskau überlassen, so hat es der Kandidat der seit Längerem von allen guten Geistern verlassenen Republikaner in den USA unverhohlen angekündigt.

Gelingt es Kiew, die Fronten das ganze Jahr 2024 zu halten, und gewinnt womöglich Amtsinhaber Joe Biden in den USA, dann wird der Krieg weitergehen; aber es könnte dann Aussichten geben, dass 2025 eine Art von Beendigung oder zumindest Unterbrechung gelingt: Wenn Moskau, wie zuvor schon Kiew, erkennen muss, dass große operative Durchbrüche gegen Mine, Drohne und Artillerie nicht zu erzwingen sind; vorausgesetzt natürlich, der Westen liefert weiter genug an Kiew. Doch das ist für das Jahr 2024 noch überhaupt nicht absehbar.

Die Zukunft eines unbeweglichen Konflikts und seine Auswirkungen auf Europa

Rettet also der Westen, rettet Kiew sich bis in das Jahr 2025 hinüber, dann würde zumindest ein Waffenstillstand bei weiter festgefahrenen Fronten denkbar; ein Friedensvertrag aber nicht. Die Positionen zu allem – wer ist schuld, wer zahlt die Zeche, welche Gebiete werden von wem geräumt? – sind auf absehbare Zeit völlig unvereinbar. Ein Waffenstillstand aber bleibt denkbar. Wir nähern uns damit der unschönen Aussicht auf einen „frozen conflict“, bei dem der dann erreichte Stand an den Fronten Grundlage der Feuereinstellung ist.

Ab dann lebt Europa mit einem Kalten Krieg 2.0, der sehr viel heißer sein dürfte, als der 1990 beendete. Denn Kiew würde die Besetzung von weiten Teilen seines Landes nicht hinnehmen und weiter unter der Hand gegen die russischen Besatzer im Land agieren, während Putin alles tun würde, um die Ukraine zu destabilisieren und in einem nicht lebensfähigen Zustand zu bringen; Wiederaufflammen fast garantiert. Selbst das optimistische 2025er Szenario verheißt also wenig Gutes – im Osten Europas bleibt es auf brandgefährlich, auch für den Rest des alten Kontinents.

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