Öl-Embargo in sechs Monaten: Was bedeutet das für mich?

Die PCK-Raffinerie in Schwedt (Brandenburg): Nach Plänen der EU-Kommission sollen die russischen Öl-Lieferungen in die Europäische Union eingestellt werden

Die PCK-Raffinerie in Schwedt (Brandenburg): Nach Plänen der EU-Kommission sollen die russischen Öl-Lieferungen in die Europäische Union eingestellt werden

Foto: Patrick Pleul/dpa
Von: Lou Siebert und Josef Forster

Mit einem Öl-Embargo will die EU Kriegstreiber Wladimir Putin in die Knie zwingen!

Denn das in der Nacht zu Mittwoch von der EU-Kommission vorgeschlagene sechste Sanktionspaket gegen Russland sieht einen umfassenden Importstopp von russischem Rohöl vor. Das Öl-Embargo soll mit einer Übergangsfrist von sechs Monaten in Kraft treten. Bis Jahresende soll das Ausfuhrverbot außerdem für alle raffinierten Öl-Produkte gelten.

Heißt: Sämtliche Einfuhren von russischem Rohöl – sei es über den Seeweg oder über Pipelines – sollen gestoppt werden. „Wir wollen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (63, CDU).

▶︎ Darüber hinaus kündigte von der Leyen an, die russische Sberbank sowie weitere Institute des Landes aus dem Zahlungssystem Swift ausschließen zu wollen. Die EU wolle der russischen Wirtschaft die Möglichkeit entziehen, sich zu diversifizieren und zu modernisieren.

Kommissionspräsidentin Ursula vob der Leyen im EU-Parlament. Erwartet wird die Vorstellung eines sechsten Sanktionspakets, das auch den Ausstieg von russischem Öl umfasst

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im EU-Parlament. Erwartet wird die Vorstellung eines sechsten Sanktionspakets, das auch den Ausstieg von russischem Öl umfasst

Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Und: Um russischer Propaganda entgegenzuwirken, sollen drei Staatssendern des Landes die Sendelizenz in der Europäischen Union entzogen werden.

Schließlich soll es der EU-Kommissionschefin zufolge auch persönliche Sanktionen, wie Einreiseverbote und Kontensperrungen, gegen Angehörige des russischen Militärs geben, die für die Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung etwa in Butscha verantwortlich seien.

Spürbar dürfte in Deutschland jedoch vor allem das Öl-Embargo sein. Doch was bedeutet das für uns konkret? Und trifft ein Embargo Putin wirklich?

BILD erklärt die wichtigsten Fragen zum geplanten Öl-Boykott.

Inwieweit wäre das Öl-Embargo in Deutschland spürbar?

In Deutschland dürfte das Öl-Embargo vor allem den Preis-Schock weiter vorantreiben – und schlimmstenfalls sogar zu Lieferausfällen führen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (48, Grüne) stimmte die Bevölkerung bereits auf „hohe Preissprünge“ ein. „Eine Verknappung von Öl auf dem Weltmarkt führt natürlich erst einmal prinzipiell zu höheren Preisen“, sagte Habeck zum Abschluss der Klausurtagung des Bundeskabinetts am Mittwoch auf dem brandenburgischen Schloss Meseberg.

In Berlin und Brandenburg könnte der Sprit zudem ganz ausgehen, warnte der Minister in der ARD! „Wenn wir keine Möglichkeit haben, das aufzufangen, wird es eine Lieferunterbrechung geben“, so Habeck.

Hintergrund: Deutschland bezieht laut Habeck zwar nur noch zwölf Prozent seines Verbrauchs aus Russland. Ein Großteil der verbliebenen Einfuhren entfällt jedoch auf die Raffinerie Schwedt an der Oder, die vom russischen Rosneft-Konzern kontrolliert und über eine Pipeline versorgt wird.

Problem: Mittelfristig könnte Schwedt das Russen-Öl zwar womöglich über den Hafen Rostock oder über Danzig (Polen) ersetzen. Kurzfristig scheint dies jedoch kaum realisierbar.

▶︎ Auch Brandenburgs Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach warnte im Falle eines Boykotts von russischem Öl daher vor schweren Konsequenzen. Die PCK-Raffinerie in der Stadt in der Uckermark wäre von einem Öl-Embargo „entscheidend getroffen“, sagte der SPD-Politiker der „Rheinischen Post“.

Von dort aus würden Norddeutschland, der Flughafen BER und Regionen im westlichen Polen mit Diesel, Benzin und Kerosin versorgt. „Ohne PCK wäre dort weitgehend Stillstand“, so Steinbach.

Und: Neben der Versorgung wären auch viele Arbeitsplätze empfindlich getroffen. „Es geht um 1200 direkte und viele weitere Hundert indirekte Arbeitsplätze. PCK ist der größte Industriebetrieb der Uckermark“, sagte Steinbach.

Kann die deutsche Wirtschaft ein russisches Öl-Embargo verkraften?

Frank Umbach (58), Experte für Energiesicherheit ist überzeugt, dass die deutsche Wirtschaft ein Embargo nur dann verkraften könne, wenn dies nicht sofort geschehe.

▶︎ Umbach zu BILD: „Die Ölimportabhängigkeit von Russland ist bereits von 35 Prozent auf 12 Prozent gefallen. Hauptproblem sind die Raffinerien in Leuna und Schwedt, die beide über die russische Druzba-Ölpipeline bisher versorgt wurden.“

Top-Ökonomen sehen dagegen weniger einen Öl-Import-Stopp als problematisch, sondern vielmehr die Gefahr, dass Russland als Reaktion das Gas abschalten könnte.

▶︎ Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank: „Die Auswirkungen hängen von der Schärfe des Embargos und der Übergangsfrist ab. Stellt Russland als Gegenreaktion den Gashahn sofort ab, wird manches Konjunkturrad stillstehen.“

So auch Chefökonom der Commerzbank, Jörg Krämer: „Das eigentliche Risiko bleibt ein möglicher Stopp der Gaslieferungen. Hier gibt es keinen echten Weltmarkt und der deutschen Wirtschaft drohte bei ausbleibenden russischen Gaslieferungen eine tiefe Rezession.“

Welche Folgen hätte ein Öl-Embargo für die Energiepreise in Deutschland?

Frank Umbach zu BILD: „Ein Ausfall von Exporten und der Produktion könnte auf dem Weltmarkt zu noch höheren Preisen führen. Allerdings schwächt sich die Weltwirtschaft und Nachfrage ab, was preisdämpfend wirkt.“

Auch die deutsche Industrie ist überzeugt, dass sich russisches Öl nur mit zusätzlichen Kosten und logistischen Herausforderungen ersetzen ließe. Der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm: „Angesichts des Ölembargos werden die Energiepreise wahrscheinlich weiter steigen.“

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Würde das Öl-Embargo Russland wirklich treffen?

BDI-Präsident Russwurm ist überzeugt: „Für den russischen Staat ist der Verkauf von Öl die wichtigste Einnahmequelle. Ein Öllieferstopp wird Russland hart treffen.“

Energiesicherheits-Experte Umbach zu BILD: „Seit Beginn des Krieges bis Ende März sind die russischen Erdölexporte bereits um 40 Prozent zurückgegangen. Die Öleinnahmen für den russischen Staatshaushalt könnten dieses Jahr trotz zurückgehender Produktion jedoch um bis zu 45 Prozent steigen.“

Umbach meint: Derzeit nehme die Anzahl der Öltanker, die russische Häfen mit unbekannten Ziel verlassen zwar zu. Dennoch habe Russland jedoch zunehmend Probleme, alternative Abnehmer für sein Öl auf dem Weltmarkt zu finden.

Wann würde das Embargo in Deutschland gelten?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (48, Grüne) kündigte einen zügigen Import-Stopp von Russen-Öl an und nannte ein Embargo „sehr wahrscheinlich“. Aber: Noch ist das Embargo nicht beschlossen.

Heißt: Die 27 EU-Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag der Kommission erst noch geschlossen zustimmen. Bereits an diesem Mittwoch begannen die zuständigen Vertreter in Brüssel mit den Beratungen. Vor allem die Länge dieser Übergangsfristen, also bis das Embargo in Kraft tritt, liegen dabei heute nochmal auf dem Verhandlungstisch.

Wenn aus den Hauptstädten jedoch keine großen Einwände mehr kommen, könnte das Embargo bereits in den kommenden Tagen beschlossen werden – und dann schrittweise bis zum Jahresende in Kraft treten.

Heißt: Nach einer Auslaufphase von sechs Monaten würde ein Einfuhrverbot für Rohöl gelten und nach einer Auslaufphase von acht Monaten auch ein Einfuhrverbot für Öl-Produkte.

▶︎ Umbach zu BILD: „Ein Ölembargo, das jetzt verkündet wird, wird in der Umsetzung mindestens bis Herbst dauern (womöglich mit Ausnahmeregelungen für Ungarn und Slowakei). Wahrscheinlich wird die EU versuchen, zunächst weniger problematische Öl-Sorten und Weiterverarbeitungsprodukte aus Russland zu ersetzen.“

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Quelle: Reuters Valentyn Reznichenko via Facebook NowInUkraine via Twitter

Müssen alle EU-Länder mitmachen?

Vor allem Ungarn hat bereits Bedenken an dem Vorschlag angemeldet. Für Ungarn und die Slowakei sind deshalb Ausnahmen geplant. Grund: Diese beiden EU-Länder beziehen derzeit noch einen Großteil ihres Ölbedarfs aus Russland und sehen sich auch wegen eines fehlenden Meereszugangs nicht in der Lage, so schnell wie andere alternative Lieferquellen zu erschließen.

Ungarn und die Slowakei sollen deshalb mehr Zeit zur Umsetzung bekommen. Die EU-Kommission wolle es den besonders von russischem Öl abhängigen Staaten erlauben, die Importe bis Ende 2023 fortzusetzen, sagte ein EU-Beamter.

Hintergrund: Ungarn und die Slowakei beziehen das russische Öl über den Südstrang der Druschba-Pipeline, der auch Tschechien versorgt. Ungarn importiert nach Regierungsangaben rund 65 Prozent seines Öls aus Russland – mehr als doppelt so viel wie der EU-Schnitt von zuletzt 26 Prozent.

Tschechien reagierte ebenfalls skeptisch auf den Vorschlag der EU-Kommission zum Embargo auf russisches Öl. Das Import-Verbot enthalte keine Mechanismen zur Verteilung der Lasten, sagt der tschechische Industrie- und Handelsminister Jozef Sikela zu Reuters am Rande einer Konferenz. Der Vorschlag beinhalte keinen Vorschlag zu gemeinsamen Einkäufen und gemeinsamer Verteilung. „Wir studieren das noch, aber es ist ein Problem für mich.“

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