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  5. Warum Putin Tausende Ukrainer verschleppen lässt - und was er mit ihnen vorhat

„Verhalten seiner Soldaten ist genozidal“ : Massen-Verschleppungen nach Russland: Das steckt hinter Putins grausamer „Stalin-Methode“
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Russlands Präsident Wladimir Putin.
Kirill Kudryavtsev/AFP/Getty Images Russlands Präsident Wladimir Putin.
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Russische Truppen haben offenbar Zehntausende Ukrainer gewaltsam nach Russland verbracht. Während Moskau von „freiwilligen Evakuierungen“ spricht, beklagt Kiew „massenhafte Deportationen“. Die Politik-Experten Jan Claas Behrends und Andreas Heinemann-Grüder erklären auf FOCUS Online, worum es Putin bei den Verschleppungen geht und wer ihm als historisches Vorbild dient.

Seit Wochen gehen alarmierende Meldungen um die Welt, wonach Kriegsverbrecher Wladimir Putin Zehntausende Ukrainer gewaltsam nach Russland bringen lässt und in Lager einquartiert. Mehreren Hunderttausend Menschen in den Kampfgebieten wurde nur der Fluchtweg nach Russland eröffnet, was einer Vertreibung aus der Heimat gleichkommt. Jetzt bestätigte das US-Verteidigungsministerium, dass es solche Zwangsmaßnahmen tatsächlich gibt.

„Wir haben Hinweise darauf, dass Ukrainer gegen ihren Willen nach Russland gebracht werden“, erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby. Zwar könne er nicht sagen, „wie viele Lager es gibt oder wie sie aussehen“, doch das Vorgehen Putins sei „skrupellos“.

Lesen Sie hier: Der Kriegsverlauf in der Ukraine im Ticker

Pentagon bestätigt: Russland verschleppt Ukrainer

Bereits zuvor hatte es entsprechende Schilderungen gegeben. So beklagte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmila Denissowa, seit Kriegsbeginn seien fast 1,2 Millionen Ukrainer, darunter mehr als 200.000 Kinder, „in die Russische Föderation deportiert“ worden. Das russische Verteidigungsministerium spricht hingegen von „freiwilligen Evakuierungen“.

Jan Claas Behrends (52), Professor für Osteuropäische Geschichte am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, hält die Darstellung Moskaus für unhaltbar. Aus seiner Sicht handelt es sich in vielen Fällen um Deportationen. „Diese Darstellungen sind mittlerweile aus mehreren Quellen bestätigt“, sagte der Experte für Gewaltkultur in sowjetischen und post-sowjetischen Gesellschaften zu FOCUS Online.

Historiker Behrends: Putin stellt sich in Tradition Stalins

Behrends erklärte weiter, dass Putin mit seiner gnadenlosen Politik ein eindeutiges Ziel verfolge: „Putin geht es um die Zerstörung der Kultur und Identität der Ukrainer. Das Verhalten seiner Soldaten inklusive der Morde und Deportationen ist genozidal.“ Mit den Verschleppungen im großen Stil knüpfe Russlands Präsident an ein schlimmes historisches Vorbild an. „Er stellt sich damit in die Tradition Stalins, der auch die massenhafte Deportation fremder Völker befahl.“

Auch der Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder (64) vom International Centre for Conflict Studies in Bonn sieht beim Thema Deportation „eindeutige Parallelen“ zum Vorgehen Stalins. „Die Paranoia, die Stalin hatte, weil er in jedem einen Kollaborateur der Nazis sah, wird jetzt wiederbelebt.“ Heinemann-Grüder verwies im Gespräch mit FOCUS Online auf die sogenannten Filtrationslager. In diesen Lagern werden Ukrainer, die sich in den russisch kontrollierten Gebieten befinden, systematisch ausgeforscht. „Die werden peinlich befragt, ihre Handys werden ausgelesen, die Biografien überprüft.“ Auf diese Weise wollen die Russen mutmaßliche ukrainische „Nazis“ und Mitarbeiter von Sicherheitsorganen oder Beamte aufspüren.

Forscher Heinemann-Grüder: Viele Arten der Deportation

„Je nach Einstufung bekommen die Menschen unterschiedliche Passierscheine, mit denen sie sich in unterschiedlichen Regionen aufhalten können“, so Professor Heinemann-Grüder. „Diejenigen, die die Prüfung in den Augen des russischen Geheimdienstes FSB oder des Militärs nicht bestehen, verschwinden einfach, und oft weiß niemand, wohin.“

Andere Ukrainer würden bewusst in weit entlegene, unwirtliche Gebiete Russlands gebracht und blieben ihrem Schicksal selbst überlassen, so der Politikwissenschaftler. Er erinnerte zugleich daran, dass russische Truppen bei einigen Fluchtkorridoren aus umkämpften Städten den Einwohnern nur eine Fluchtrichtung erlauben und sie damit zwingen, ihre Heimat zu verlassen – nach Russland. „Auch in solchen Fällen können wir von Deportation sprechen“.

Stalins Terror: Kritiker seines Regimes brutal ausgeschaltet

Das Vorgehen erinnert an die stalinistische Sowjetunion, in der Deportationen als Form politischer Repressalien in den 1930-er und 1950-er Jahren an der Tagesordnung waren. Mit den Zwangsmaßnahmen wollte Gewaltherrscher Josef Stalin seine Machtfülle ausbauen und jene Menschen aus dem Weg räumen, die nichts ins ideologische Raster passten. Ein Historiker kam zu dem Schluss, Stalin betrachtete Deportationen als Mittel, „um jegliche Manifestationen der Unzufriedenheit mit dem antidemokratischen, totalitären Regime zu unterdrücken“.

Vor diesem Hintergrund kommt das brutale Agieren Wladimir Putins nicht überraschend. Bereits auf der Krim und in den sogenannten Volksrepubliken im Donbass wurde seine Strategie deutlich: die erbarmungslose Verfolgung aller Menschen, die sich nicht seinem Diktat unterwerfen – bis hin zu Morden und der Massen-Vertreibung etwa der Tataren von der Krim.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte das Vorgehen von Putin und seinen Truppen unlängst scharf kritisiert: „Unter anderem deportieren sie Kinder – in der Hoffnung, dass sie vergessen, wo sie herkommen, wo ihr Zuhause ist.“

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