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Mangott, Neitzel, Weber: Gewinnt Putin gerade wirklich? Drei Experten, zwei Meinungen, ein Schauder-Szenario
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FOCUS online/Wochit Gewinnt Putin gerade wirklich? Drei Experten, zwei Meinungen, ein Schauder-Szenario
  • FOCUS-online-Redakteur

Gewinnt Putin jetzt wirklich den Krieg in der Ukraine? Diese Frage geistert spätestens seit dem jüngsten russischen Vorstoß umher. FOCUS online hat drei renommierte Experten gefragt: Ist Putins Sieg nur noch eine Frage der Zeit? Ihre Meinungen gehen auseinander.

Vor rund drei Wochen hat der Krieg in der Ukraine eine neue Wendung genommen. Russischen Truppen gelang es, die ostukrainische Stadt Awdijiwka zu erobern. Beim anschließenden Vormarsch konnte Putins Armee rasch weitere Gebiete unter ihre Kontrolle bringen . Nun scheint die Offensive Berichten zufolge wieder an Schwung zu verlieren.

Insgesamt bleibt also weiter ungewiss, was der Ukraine-Krieg als nächstes bringt. Zwar hat die Ukraine in den vergangenen Wochen Territorium verloren, kämpft mit Munitionsknappheit und wartet auf Hilfe aus dem Westen.

Verdichten sich die Anzeichen für einen Sieg Putins?

Doch was folgt daraus? Wie lange kann die Ukraine den Angriffen des Aggressors standhalten, dessen Kriegswirtschaft auf Hochtouren läuft? Ist ein Sieg der Ukraine überhaupt noch möglich?

Das Pendel bei der Frage, ob die Ukraine diesen Krieg verliert, schlägt in den letzten Tagen immer stärker in Richtung Ja aus. In einem Gastbeitrag für FOCUS online schreibt der Journalist Gabor Steingart in einer Analyse, dass sich die Anzeichen für einen baldigen Sieg Putins verdichten .

Indizien dafür seien etwa die weitgehende Abhängigkeit der Ukraine von ausländischer Hilfe, die gescheiterte westliche Isolierung Russlands, ein Richtungswechsel in der amerikanischen Ukraine-Politik oder auch das jüngste Taurus-Votum von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Die Frage, ob der Westen den Krieg als verloren ansieht und sich mit Wladimir Putin arrangieren wird, wird von Experten indes sehr unterschiedlich bewertet.

„Es stimmt nicht, dass die Ukraine am Rande des Zusammenbruchs steht“

Gerhard Mangott, Russlandexperte und Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen , kann der These, dass der Krieg in der Ukraine schon bald vorbei sei, nicht zustimmen. „Es stimmt nicht, dass die Ukraine am Rande des Zusammenbruchs steht“, sagt er gegenüber FOCUS online.

Mangott meint: Es mangelt zwar an Munition, Luftabwehrkomponenten und auch Soldaten. Es sei jedoch nicht bemerkbar, dass westliche Staaten ihre militärische Hilfe an die Ukraine reduzieren, außer derzeit die USA.

„Sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten gibt es außerdem deutliche Mehrheiten für weitere militärische und finanzielle Hilfe. Nur der radikale Flügel der Republikaner verhindert derzeit noch die Zustimmung“, erklärte der Politikwissenschaftler.

Die Weigerung des Sprechers des Repräsentantenhauses, die Senatsvorlage zur Abstimmung zu bringen, könne durch einen Ausweg in der Geschäftsordnung umgangen werden.

„Scholz ist sicher nicht bereit, einen russischen Sieg zu ermöglichen“

Ebenso wenig sei bemerkbar, dass die ukrainische Militärführung nicht Hunderttausende zusätzliche Soldaten mobilisieren kann. „Die Souveränitätsverluste durch Abhängigkeit von westlicher Hilfe untergraben die Souveränität um vieles weniger als der Verlust an Territorium“, sagt Mangott.

Und auch in Deutschland trügt der Schein. Bundeskanzler Olaf Scholz habe zwar klar und deutlich Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine gesagt, dennoch habe Deutschland seine Militärhilfe in diesem Jahr deutlich erhöht, ordnet Mangott ein. „Scholz ist sicher nicht bereit, einen russischen Sieg zu ermöglichen.“

Mangott ist insgesamt nicht davon überzeugt, dass der Westen sich bereits auf die Niederlage der Ukraine eingestellt hat. Wenn auch er anmerkt: „Der Westen ist in dieser Frage bei weitem nicht geschlossen.“

„Der Ausgang des Krieges noch offen ist“

Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte an der Universität Potsdam , meint, es sei richtig, auf die schwierige Situation in der Ukraine hinzuweisen. „Vor allem auf einen Westen, der nicht so entschlossen reagiert, wie es der Situation angemessen wäre.“ Neitzel betont gegenüber FOCUS online allerdings, dass der Ausgang des Krieges aus seiner Sicht noch offen sei.

„Die militärische Lage ist für uns Außenstehende außerordentlich schwierig zu beurteilen“, sagt er. Über die ukrainische Armee gebe es keine verlässlichen Daten. Die Verluste, die Rekrutierungszahlen, die Munitionsvorräte – „wir bewegen uns dabei im Dunkeln“.

Fakt ist aber auch: „Noch muss die russische Armee die Ukrainer besiegen und irgendwann einen größeren Durchbruch erzielen, um den Kampf militärisch zu entscheiden“, so der Militärhistoriker.

Im Kampf um Awdijiwka gelang den russischen Truppen kürzlich ein taktischer Sieg. Ob das wiederholt und ausgedehnt werden kann, bleibe abzuwarten.

Krieg endet nicht vor US-Präsidentschaftswahlen

Neitzel ist zudem davon überzeugt, dass der Krieg nicht vor den US-Präsidentschaftswahlen endet. Danach könne es irgendwann vielleicht eine Verhandlungslösung geben.

„Freilich gibt es auch Hoffnungsschimmer: Gewinnt Biden die Wahl, könnte sich die Lage in der Ukraine wieder drehen, zumal Ende des Jahres wohl auch die ersten F-16 einsatzbereit sein werden und die Munitionsbeschaffung aus der EU reichlicher fließt“, sagt er.

„Waagschale neigt sich militärisch zu Gunsten der Russen“

Joachim Weber, Risikoanalyst und sicherheitspolitischer Experte der Universität Bonn , sieht dagegen spätestens seit dem Jahreswechsel immer deutlicher,, „dass sich die Waagschale militärisch zu Gunsten der Russen neigt“.

In den Anfangsmonaten des Jahres 2024 haben die Russen mit großem Druck über 15 Abschnitte der Front angegriffen und in den ukrainischen Stellungssystemen teils mehrere Kilometer tiefe Einbrüche erzielt. „Dabei haben sie Erfolge wie in Awdijiwka erzielt“, erklärt er gegenüber FOCUS online.

Eine russische Frühjahrsoffensive habe jedoch überhaupt noch nicht begonnen, mahnt er. „Es drohen bald auch echte operative Durchbrüche".

„Gleichzeitig gehen die systematischen Angriffe zur Zerstörung der kritischen Infrastrukturen der Ukraine kontinuierlich und durchaus erfolgreich weiter“, zeigt Weber auf.

„Russland legt kontinuierlich eine Schippe nach der anderen drauf“

Was jedoch am ehesten für ein baldiges Kriegsende spricht und am schwersten wiegt: „Nahezu alle Ressourcen gehen Kiew langsam aus.“ Der entscheidende US-Waffennachschub sei fast völlig versiegt, die Europäer haben und liefern nicht genug, und in der Folge fehle es an allem.

Es fehle an Artilleriegranaten, um die russischen Dauerangriffe noch zu stoppen, sowie Luftabwehr zur Abwehr weiterer Zerstörungen durch Drohnen und Raketen. Nicht zuletzt fehle es an Soldaten, da die bisherigen Kräfte tot, verwundet oder völlig erschöpft seien.

„Die Armee fordert 400.000 bis 500.000 Mann Ersatz, aber wo sollen diese herkommen?“, fragt der Risikoanalyst. Putin habe von Anfang an kalkuliert, dass er am längeren Hebel sitzt als der Westen, und alles jahrelang gründlich vorbereitet. „Und genauso sei es jetzt gekommen.“

Weber meint: „Russland legt kontinuierlich eine Schippe nach der anderen drauf, und der Westen beginnt, einzuknicken. Was auf dem Spiel steht, wird man erst begreifen, wenn es zu spät ist.“

„Dann wird Europa unter dem Schatten Moskaus leben“

Der Experte für Sicherheitspolitik sieht daraus prekäre Folgen für die westliche Welt entstehen: „Die USA haben sich in den letzten Jahren in Syrien und Afghanistan eine zweifelhafte Reputation erworben, indem sie ihre Verbündeten über Nacht im Stich gelassen haben. Wenn sich das in der Ukraine wiederholt, wird das zum Menetekel für die weltpolitische Stellung der USA.“

Eine solche Niederlage würde den Anfang vom Ende der US-Vorherrschaft in der Welt markieren, sagt Weber. „Dann wird China in Asien herrschen und Europa wird unter dem Schatten Moskaus leben.“

Deutschland und die Europäer sollten sorgfältig überlegen, unter welchen Rahmenbedingungen sie ihr Leben dann neu organisieren möchten. „Dafür bleiben jetzt noch Monate, nicht aber Jahre, wenn nicht noch ein Wunder geschieht; das jedoch ist in der Politik selten", so Webers Fazit.

Häufig gestellte Fragen zu diesem Thema

Dieser Krieg ist nicht einfach nur ein regionaler Krieg am Rande Europas. Er sollte den Beginn einer viel größeren Operation darstellen. Ziel war und ist es, Russlands imperialen Bestand in Europa wiederherzustellen und die ...

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Joachim Krause

Direktor emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS

Zum einen ist klar geworden, welche enormen Gefahren von dem kriminellen und kleptokratischen System ausgehen, welches Putin seit dem Beginn dieses Jahrtausend geschaffen hat. Dieses System beruht auf Selbstbereicherung der ...

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Joachim Krause

Direktor emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS

Zum einen haben wir gesehen, dass Russlands Militär verwundbar und keinesfalls unbesiegbar ist. Die Ukraine hat mit einem für uns kaum nachvollziehbaren Einsatz der gesamten Bevölkerung und des Militärs eine Kreativität und Ausdauer im Kampf gegen die ...

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Joachim Krause

Direktor emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS

Die Ukraine weiterhin militärisch, wirtschaftlich und finanziell unterstützen und dabei auf eingefrorene Guthaben der russischen Staatsbank zurückgreifen. Und wir werden auch das Niveau der Waffenqualität erhöhen müssen. Ich würde auch ...

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Joachim Krause

Direktor emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel und Chefredakteur von SIRIUS

 
tsa/
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