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Das Rätsel um Putins Armee: Wie viele Soldaten sind wirklich in der Ukraine?
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Russlands Präsident Wladimir Putin und zahlreiche Generäle.
AFP via Getty Images Russlands Präsident Wladimir Putin und zahlreiche Generäle.

Die Schlacht um den Donbass ist in vollem Gange. Ein großes Rätsel bleibt dabei die tatsächliche Zahl der russischen Streitkräfte. Während Wladimir Putin verzweifelt Soldaten rekrutiert und dabei auch vor Zwangsmaßnahmen nicht zurückschreckt, soll die Moral seiner dezimierten Truppen im Keller sein.

Am 18. April verkündete der ukrainische Präsident, was seit einigen Wochen befürchtet wurde. „Die Schlacht um den Donbass hat begonnen“, sagte Wolodymyr Selenskyj an jenem Ostermontag. Auf breiter Front rücken seitdem russische Truppen in den zu Separatistenrepubliken erklärten Regionen Donezk und Luhansk vor. Außerdem toben im nördlichen Charkiw ebenso weiter Kämpfe wie in der in Trümmern liegenden südlichen Hafenstadt Mariupol, die offenbar kurz vor der vollständigen Eroberung durch Russland steht.

Nach dem Rückzug aus weiten Teilen der Ukraine und dem damit einhergehenden Überspringen der zweiten Kriegsphase befindet sich Russland nun in Phase drei. In dieser soll der Donbass erobert werden, um die „militärische Spezialoperation“, wie der Krieg in Russland offiziell noch immer bezeichnet wird, zu retten und nicht mit leeren Händen dazustehen.

Wie viele Streitkräfte Putin in der Ukraine zur Verfügung stehen, bleibt ein großes Rätsel

Eines der größten Rätsel ist aktuell die Zahl der russischen Streitkräfte in der Ukraine und deren Einsatzfähigkeit. „Russland fehlen Truppen“, sagt Michael Kofman, Militärdierektor in der US-Denkfabrik CNA, der „New York Times“. „Sie sind für einen längeren Krieg nicht gut aufgestellt.“

Bereits Ende März war berichtet worden, dass rund 40.000 russische Soldaten außer Gefecht sind, weil sie in der Ukraine getötet, gefangen oder verwundet worden sind. Zahlen, die Russland nicht kommentiert und die sich weder bestätigen noch widerlegen lassen.

Ein ranghoher Beamter des US-Verteidigungsministerium spricht davon, dass Russland bereits ein Viertel seiner anfänglichen Streitmacht verloren hat. Soldaten, Artillerie, Flugzeuge, Hubschrauber, Raketen und Marschflugkörper - in allen Bereichen seien Putins Streitkräfte dezimiert. Das spiegelt sich auch in den immer weniger werdenden russischen Erfolgen wider.

150.000 Soldaten könnten schon Russlands ganze verfügbare Streitmacht sein

Während Russland nach zwei Monaten Bombardement wohl kurz vor der Eroberung Mariupols steht, bleiben die positiven Meldungen sonst eher rar. In einem Geheimdienst-Update vermeldete Großbritannien sogar, dass die Ukraine etliche Angriffe erfolgreich abwehre.

Besonders bemerkenswert ist das, weil sich mittlerweile die gesamte verfügbare russische Streitmacht auf dem Staatsgebiet der Ukraine befinden soll. Anders als zunächst angenommen waren die 150.000 Soldaten, mit denen Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, schon das gesamt verfügbare Heer. Obwohl die russischen Streitkräfte insgesamt mehr als eine Million Menschen umfassen, ist das nicht ungewöhnlich.

BREST REGION, BELARUS - FEBRUARY 19, 2022: Servicemen take part in the Allied Resolve 2022 joint military drills held by
imago images/ITAR-TASS

Russlands Armee als Rückgrat für Putins geopolitische Ambitionen.

 

Nur einer von zehn Soldaten in heutigen Armeen kämpfe tatsächlich, sagt Joachim Weber, Experte für Sicherheitspolitik der Universität Bonn. „Die anderen neun sind für Dinge wie Kampfunterstützung, Reparaturen und Wartung, für Logistik und Nachschub zuständig“, erklärt er gegenüber ntv.

Ukraine meldet: Putin-Truppen verweigern Rückkehr in die Ukraine, weil Bonuszahlungen ausbleiben

Laut US-Verteidigungsministerium befinden sich derzeit 78 sogenannte Taktische Bataillonskampfgruppen (kurz BTG) der russischen Armee in der Ukraine. Diese umfassen im Regelfall 800 bis 1000 Soldaten. Folgt man dieser Rechnung, stünden Putin derzeit noch maximal 78.000 Soldaten auf dem Gebiet der Ukraine zur Verfügung. Unklar ist dabei, wie gut diese aufgestellt sind und wie es um deren Moral bestellt ist.

Die Motivation der noch verbliebenen Truppen soll im Keller sein, ihr Gehorsam schwinden. Der ukrainische Militärgeheimdienst meldet, dass aus Kiew zurückbeorderte Truppen die Rückkehr in die Ukraine verweigern würden; unter anderem, weil versprochene Bonuszahlungen zu spät überwiesen werden oder sogar ganz ausbleiben. Dazu passt die Meldung des US-Verteidigungsministeriums, dass bislang vor allem angeschlagene und notdürftig zusammengestellte Kampfeinheiten aus Kiew in den Osten der Ukraine verlegt wurden.

Lesen Sie auch: Ehemaliger Separatistenführer erklärt, warum Russland die Wehrmachts-Falle droht 

Berichten zufolge soll außerdem mehr als die Hälfte der nördlichen Truppen bei Belgorod nahe der ukrainisch-russischen Grenze auf neue Ausrüstung warten. Die Ausrüstung der Streitkräfte in der Ukraine soll zudem immer schlechter werden. Kriegsgerät wie Panzer sei vielfach zerstört oder stark beschädigt. Übereinstimmenden Berichten des ukrainischen Militärgeheimdienstes und des Pentagon zufolge fehlen Russland durch die westlichen Sanktionen zudem dringend benötigte Ersatzteile, um dieses zu reparieren.

Um Zahl der Streitkräfte zu erhöhen, greift Putin zu verzweifelten Maßnahmen

Um die Zahl der eigenen Streitkräfte in der Ukraine doch noch zu stärken, greift Putin zu verzweifelten Maßnahmen. Truppen, die auf dem Weg nach Syrien waren, werden zurückbeordert, mehrere Hundert Bürger aus den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk zwangsverpflichtet. Außerdem hat Russland einige Hundert Soldaten aus den abtrünnigen Regionen Södossetien und Abchasien angefordert.

Russian President Vladimir Putin Marks The National Unity Day In Moscow
Getty Images Russlands Präsident Wladimir Putin mit einigen Soldaten.
 

Eine wirkliche Hilfe für das Heer sind all diese Gruppen aber eher nicht. Während keine dieser Soldatenverbünde besonders zahlreich ist, fehlt vielen die Kampferfahrung. Nur rund zehn Prozent der Zwangseinberufenen aus Donezk und Luhansk sollen kampferfahren sein. Die Truppen aus Südossetien und Abchasien sollen laut US-General Michael Repass, der vor seinem Ruhestand in Europa stationiert war, sogar bisher nur in Friedensmissionen zum Einsatz gekommen sein.

Putin wird wohl alle Streitkräfte in der Ukraine in den Donbass verlegen - wird Region zum Drehkreuz?

Alles in allem hat die Ukraine nach aktuellem Stand wohl zwischen 62.500 Soldaten, was minimal besetzten BTG entsprechen würde, und 110.000 Soldaten in der Ukraine. Zwischen 3000 und 5000 davon sind aktuell in Mariupol gebunden und werden dort vorerst bleiben, nachdem Russland ankündigte, das dortige Stahlwerk zunächst nicht zu stürmen.

Diese und weitere Kräfte wird Russland aber nach und nach in den Donbass schicken, um die dortige Schlacht zu gewinnen. Auch die auf Ausrüstung wartenden Truppen in Belgorod, deren exakte Zahl nicht bekannt ist, werden wohl bald in den Donbass kommen. Von dort aus könnten die Truppen im Erfolgsfall aber auch weiterziehen, die Region so als Drehkreuz in Putins Krieg dienen.

General: Russland plant nach Donbass auch einen Zugang zu Transnistrien zu bekommen

Es gehe bei der in dieser Woche begonnenen Etappe der „militärischen Spezialoperation“ darum, einen Landweg zur Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu sichern, wie der amtierende Befehlshaber des zentralen Wehrbezirks, Rustam Minnekajew, am Freitag der Agentur Interfax zufolge. So konkret hatte sich bisher niemand aus der Militärführung Russlands geäußert.

Panzerdenkmal in Tiraspol
dpa/Bernd Kubisch/dpa-tmn Panzerdenkmal in Tiraspol - die Stadt fungiert als Hauptstadt des international nicht anerkannten Landes Transnistrien.
 

„Die Kontrolle über den Süden der Ukraine, da ist noch ein Zugang zu Transnistrien“, sagte Minnekajew. In der von der Republik Moldau abtrünnigen Region Transnistrien sind russische Truppen stationiert. Die Ukraine könnte so im Süden den Zugang zum Schwarzen Meer und damit zu den Weltmeeren insgesamt verlieren. Minnekajew deutete an, dass auch in Transnistrien die Interessen der russischsprachigen Bevölkerung verteidigt werden sollen.

Zunächst muss Russland aber die Kontrolle über den Donbass gewinnen - und das wird schwer genug. „Es ist nicht so, dass die Russen so viele Kräfte in der Ukraine haben, dass sie die Zahl der ukrainischen Soldaten bei weitem übersteigen und diese Offensive schnell vorangehen könnte“, sagt Militärexperte Carlo Masal im ntv-Podcast „Wieder was gelernt“. Ohne Waffenlieferungen aus Europa und den USA könne es aber für die Ukraine extrem schwierig werden, den russischen Attacken standzuhalten oder sogar eine Gegenoffensive zu starten.

Surftipp:Alle politische Entwicklungen und Stimmen zum Krieg in der Ukraine im Newsticker. 

Zwickmühle 9. Mai: Putin drängt, doch „Russland ist noch nicht für Großoffensive bereit“

Die Zeit für Russland drängt zudem, da Präsident Wladimir Putin eine Eroberung des Donbass bis zum 9. Mai, einem russischen Feiertag, der den Sieg der Sowjetunion über das nationalsozialistische Deutschland feiert, wünscht. Das Ziel, das Experten des „Institute for the Study of War“ als „willkürlich festgelegt“ bezeichnen, könnte Russland zu Aktionen verleiten, für die es nicht vorbereitet scheint.

„Russland ist noch nicht für eine Großoffensive bereit“, schreibt das „Institute for the Study of War“ in seinem Lagebericht vom 19. April. „Die Russen scheinen anzugreifen, obwohl Logistik und Militäreinführung noch nicht eingerichtet sind.“ Militärexperte Weber glaubt zudem, dass Russland seinen Angriff nicht mehr nennenswert verstärken könne, ohne seine Truppen an anderen Stellen „extrem verwundbar zu machen“.

Laut Weber sei das auch dem Druck durch die bisherigen Misserfolge geschuldet. „Russland hat so viel in die Waagschale geworfen, so horrende Verluste erlitten“, sagt Weber gegenüber ntv. „Putin muss jetzt Erfolge produzieren.“ Dass er dabei auf schlecht ausgerüstete, verwundete und teils demoralisierte Streitkräfte zurückgreifen muss, macht Russlands Lage nur umso verzwickter und deutet auf das hin, was viele Experten prognostizieren: Eine russische Offensive, die möglicherweise sehr lange dauern könnte.

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