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Gastkommentar: An deutsche Friedensengel: Wer mit Putin einen Pakt schließt, wird mehr Krieg bekommen
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July 21, 2022, Moscow, Moscow Oblast, Russia: Russian President Vladimir Putin holds a face-to-face meeting with Energy
IMAGO/ZUMA Wire Wer mit Putin einen neuen Pakt schließen will, wird nur mehr Krieg bekommen.

Deutsche Friedensfreunde melden sich derzeit zu Wort. Sie fordern, die Waffen niederzulegen und die belagerte Ukraine preiszugeben. Doch das wäre das Ende Europas. Denn wer mit Putin einen neuen Pakt schließen will, wird nur mehr Krieg bekommen. 

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Stellen Sie sich vor, russische Truppen nehmen Kiew ein, Putin installiert ein nordkoreanisches Satrapenregime wie in den bereits okkupierten Gebieten, 8 bis 10 Millionen Ukrainer fliehen dauerhaft in EU-Staaten. Russland kontrolliert die gesamte Schwarzmeerküste der Ukraine, annektiert darüber hinaus Transnistrien, Abchasien und Südosssetien. Die Ukraine hört auf, als unabhängiger Staat zu existieren. Russland verschärft nach Belieben die Welternährungskrise, da es den Handel mit Weizen aus der Ukraine beherrscht. Russland treibt nach Belieben Menschen in Europa auf die Straße, deren Existenz durch eine dramatische Inflationsrate und eine Rezession bedroht ist. Rumänien, Ungarn, Polen und die Slowakei markieren die neue Außengrenze der Nato, mit fast täglichen Verletzungen des Luftraums. Putin eröffnet eine zweite Front in der syrischen Region Idlib, wo drei bis vier Millionen Menschen von humanitärer Hilfe abgeschnitten sind und nach Jordanien, in den Irak, in den Libanon und über die Türkei nach Europa drängen.

Spannend, aber gerade keine Zeit?

"Frieden schaffen ohne Waffen": Ein Zukunftsszenario?

In den USA gerät Präsident Biden unter Druck, die Republikaner unter Trump kontrollieren nach den Midterm-Wahlen beide Häuser. America first – not Ukraine. Die Linke, die AfD, Teile der SPD und die evangelische Kirche organisieren Großdemonstrationen für „Frieden mit Russland“ und für die schnelle Inbetriebnahme von Nord Stream II. Kanzler Scholz` Zustimmungsraten sind im Keller, die Stammwählerschaft der SPD droht mit Streiks. Die Koalition aus SPD, FDP und Grünen droht zu zerfallen. Bundespräsident Steinmeier lädt ins Schloss Bellevue ein, wo Ben Becker mit dem Jewtuschenko-Gedicht „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ auftritt. Martin Walser erhält bei der Gelegenheit das Bundesverdienstkreuz.

Über den Autor

Der Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder ist Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie. Zwischen 2010 und 2012 war er Leiter der Akademie für Konflikttransformation Bonn/Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Friedens- und Konfliktforschung, auf autoritären politischen Regimen und in der vergleichenden Föderalismusforschung. Heinemann-Grüder ist in der Politikberatung aktiv, unter anderem als Mitglied im Beirat zivile Krisenprävention des Auswärtigen Amtes.

Eine gender-sensitive Gesandtschaft aus Alice Schwarzer, Richard Precht, Ulrike Guerot und Sarah Wagenknecht reist zu Wladimir Putin, um ihm den Friedenswunsch des deutschen Volkes zu unterbreiten. Gerhard Schröder, Antje Vollmer und Otto Schily verwenden sich für den Empfang der Friedensdelegation im Kreml. Der Ratspräsident der EKD lässt für das Schweigen der Waffen beten. Deutsche Talkshows fragen in eiligen Sondersendungen, ob Putin unter dem moralischen Druck und Verhandlungsgeschick von Schwarzer, Precht und Wagenknecht aufgibt. Putin schwört, auch ihm läge nichts mehr am Herzen als Frieden mit Deutschland. Kanzler Scholz versichert, er habe im „Ringtausch“ nie mehr als 20 ältere Leopard-Panzer für Polen zugesagt, ein Panzer pro Monat, und zwar nicht vor April 2023. Der SPD könne niemand vorhalten, sie habe nicht stets nach der Devise gehandelt: „Frieden schaffen ohne Waffen“.

Die "Friedensfreunde" melden sich wieder und fordern die Preisgabe der Ukraine

Die Realität: Nach zwei bis drei Monaten Schweigen seitens der „Friedensfreunde“ erheben sie jetzt gerade wieder das hohe Wort, jene, die meinen, man müsse Putin geben, was er wolle, dann würde er vom Saulus zum Paulus, die der Ukraine – nicht Putin ‑ „Die Waffen nieder!“ predigen und den Konflikt damit „einfrieren“ wollen, dass die Ukraine so entmilitarisiert wird, wie Putin sich das wünscht. Es melden sich jene, die ihre eigene zynische Teilnahmslosigkeit als Neutralität für die Ukraine verkleiden. Sie gehen von Putins Sieg aus und fordern deshalb die Preisgabe der belagerten Ukraine, obwohl sie nun schon, beschämend für die Lobbyisten eines Weges zur Schlachtbank, mehr als fünf Monate durchgehalten hat. 

Lesen Sie auch: Replik auf „Waffenstillstand jetzt!“ - Schwere Waffen jetzt!

Auch jene sind wieder da, die bei Slobodan Milosevic und Saddam Hussein „nie wieder“ riefen, Putin aber de facto einen neuen Hitler-Stalin-Pakt vorschlagen, diesmal zur „Rettung“ der Ukraine. Putin hatte die Friedensfreunde arbeitslos gemacht, die Psychotherapeuten an der gekränkten russischen Seele. Die Tele-Experten, die noch nie mit Russland oder der Ukraine zu tun hatten oder seit Jahren Lenor-Spülungen für Putin feilboten, erleben wieder Aufwind. Ginge es nach ihnen, brächte der Frieden aus, wenn das Vergewaltigungsopfer sich nicht mehr gegen den Vergewaltiger wehrt. Angeblich tut es wenig weh, so die Ratgeber für solche Menschenexperimente. Verantwortungsethik reklamieren jene, die den Preis für eigene Ratschläge nie aufbringen würden.

Ein Pakt mit Putin bedeutet mehr Krieg, eine Niederlage Russlands ist die einzige Chance auf Wandel

Eins eint uns, auch wenn die Antwort nicht antagonistischer ausfallen könnte: Wir müssen den Krieg vom Ende her denken. Bisher heißt die oberste Staatsräson Deutschlands, vor wie seit dem Krieg, „Ohne mich“, aller wohlfeilen Rhetorik zum Trotz. Die Preisgabe der Ukraine und ein Sieg Putins wären freilich das Ende Europas, die dauerhafte Spaltung und systemische Erpressbarkeit des Westens. Nicht nur der Seelenfrieden der Entspannungspolitiker wäre gestört. Wer mit Putin einen neuen Pakt schließen will, wird nur mehr Krieg bekommen.

Russlands und Europas einzige Chance besteht in Putins Niederlage. Nur infolge einer Niederlage wird sich das Regime wandeln, öffnen und sich seinem Imperialismus, Militarismus und seiner Gewaltkultur stellen. Regimewandel in Russland fand historisch stets nur infolge von Niederlagen statt: im türkisch-russischen Krieg 1853-56, im russisch-japanischen Krieg 1904/05, im ersten Weltkrieg 1917/18 und im Afghanistankrieg (1979-1987). Nur infolge einer Niederlage wird Russland wieder in die europäische Völkerfamilie aufgenommen. Russlands Petrostaat ist am Ende – eine Frage der Zeit, der Ukrainekrieg ist das Endspiel des Regimes. Putins Petrostaat rettet das Regime ebenso wenig wie deutsche Friedensepisteln.

Sicherheit ist nicht mit sondern nur gegen Putin möglich

Putin hat keinen Grund zum Einlenken, solange er sich militärisch auf der Siegerstraße weiß. Die Durchhaltefähigkeit der Ukraine steht und fällt mit der Resilienz des Westens. Sicherheit in Europa ist nicht mit Putin, sondern nur gegen Putin möglich. Eine Niederlage Putins heißt Eindämmung, die Auferlegung von Reparationen und ein Technologieembargo bis zu deren vollständiger Zahlung. Die internationale Isolation Russlands ist nicht aussichtslos.

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Die „multipolare“ Welt spürt Russlands Schwäche: die Türkei, der Iran, China, Saudi-Arabien, Ägypten, alle merken: Putin ist nicht mehr Koch, sondern Kellner, eine durch den Ukrainekonflikt gebundene Lokalmacht. Putin hat keine Freunde mehr, sondern nur die Maríonette Lukaschenka (den Präsidenten von Belarus). Eine „Niederlage“ heißt nicht bedingungslose Kapitulation oder eine Rückkehr zum Status quo ante. Russlands Fähigkeit zur militärischen Machtprojektion kann jedoch infolge des Krieges drastisch geschwächt werden.

Ein Friedensabkommen mit Russland kann nur die Ukraine schließen, nicht Russland

Das darf sich nie wiederholen. Die Nachkriegs-Friedensordnung wird nur auf der Gleichheit der Nationen basieren, nicht auf Russlands Einflusssphären oder Putins atomarem Terrorfrieden. Ein Friedensabkommen kann nur die Ukraine mit Russland schließen, kein deutscher „Friedensfreund“ mit kolonialem oder deutsch-nationalem Hochmut. Das Schlachtfeld wird die Bedingungen des Friedens diktieren. Jede robuste Militärmission, die die Sicherheit der Ukraine an der „Kontaktlinie“ künftig garantiert, muss durchsetzungsfähig gegenüber Russland sein. Den Konflikt „einfrieren“, hatte mit der OSZE früher nur Tauwetter für Putin bedeutet. Die Mafia ist noch nie durch die katholische Kirche gebremst worden.

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Putin hielt den Preis seiner Kriege von 2008 gegen Georgien, ab 2015 in Syrien, 2014/15 in der Ukraine und seit dem 24.2.2022 für vertretbar und kalkulierbar. Die internationale Staatengemeinschaft könnte und müsste den Frieden garantieren – was sie aber bisher partout nie wollte, aus Angst vor Putin. Frieden gegenüber Russland kann nur durchgesetzt werden, wenn Putin die Friedensgaranten achtet. China zum Beispiel. Darin muss heute investiert werden.

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