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Interview mit Sicherheitsexperte Joachim Weber: Warum Österreich-Lösung eine echte Option darstellt und Schröders Besuch überschätzt wird
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ITAR-TASS 93. ST.PETERSBURG, RUSSIA. OCTOBER 7. FRG Chancellor Gerhard Schröder (left) and Russian President Vladimir P
imago images/ITAR-TASS Gerhard Schröder und Wladimir Putin im Jahr 2005
  • FOCUS-online-Autorin

Je länger Putins Krieg in der Ukraine dauert, desto furchtbarer wird er. Es gibt trotz aller Verzweiflung dennoch Hoffnung, dass beide Länder sich einigen könnten, den Konflikt beizulegen. Russland-Experte Joachim Weber erklärt im Interview mit FOCUS Online, wie Lösungen aussehen könnten und was die Hauptknackpunkte bei den schwierigen Verhandlungen sind.

FOCUS Online: Herr Weber, die zivilen Opferzahlen im Krieg steigen, Gesprächsverhandlungen zwischen Russlands Außenminister Sergej Lawrow und seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Koleba endeten ergebnislos. Gibt es dennoch Hoffnung für die Ukraine? 

Joachim Weber: Es gibt auf jeden Fall Hoffnung. Aber es kommt bei solchen Verhandlungen auf das richtige Timing an. Beide Seiten müssen an dem Punkt sein, an dem sie sagen: „So wollen und können wir nicht mehr weitermachen. Wir wollen, dass das zu einem Ende kommt.“ Anscheinend wurde dieser Punkt noch nicht erreicht. Ich könnte mir vorstellen, dass die Ukraine schneller geneigt wäre, zu einem Ende dieses Krieges zu kommen, um ihrer Bevölkerung weitere Leiden zu ersparen. Die russische Seite scheint noch nicht so weit zu sein, größere Zugeständnisse für eine Lösung zu machen, die zu einer Einstellung der Kampfhandlungen führen würden.  

Lawrows Verhalten völlig überraschend

Was wären aus Ihrer Sicht erste Schritte, um den Konflikt zu lösen - vor allem mit Blick auf die leidende Bevölkerung? 

Weber: Das Schwierige an der aktuellen Situation ist, dass man nicht genau weiß, wer für Russland sprechen soll. Wir gingen davon aus, dass es beim Treffen der Außenminister in Istanbul zu Gesprächen in der Sache kommen würde. Wir haben dann erlebt, dass Lawrow wieder nur die Propaganda-Narrative seiner Regierung heruntergebetet und dann darauf verwiesen hat, dass substanzielle Gespräche mit Blick auf Waffenstillstand und Friedensverhandlungen nur von Seiten der Unterhändler in Belarus geschehen. Das ist völlig überraschend, weil man davon ausging, dass Lawrow nach Putin der wichtigste Mann in dieser Krise ist. 

Zur Person: Joachim Weber

Dr. Joachim Weber ist Senior Fellow am strategischen Thinktank CASSIS der Universität Bonn und beschäftigt sich mit Fragen strategischer Vorausschau. Er ist Russland- und Arktisexperte, studierter Osteuropahistoriker und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit sicherheitspolitischen Fragestellungen. Jüngste Veröffentlichungen umfassen zwei Bücher zu den geopolitischen Entwicklungen in der Arktis.

 

In Russland scheint Sortierungsbedarf zu bestehen

Was wäre denn erwartbar gewesen?

Weber: Man hätte erwarten können, dass er gekommen ist, um substanziell zu verhandeln, das war nicht der Fall. Da scheint in Russland zunächst Sortierungsbedarf zu bestehen, um ganz grundsätzliche Fragen zu klären: Was wollen sie, und über wen sollen diese Gespräche geführt werden. Im Augenblick ist nicht klar, wer für das Land spricht und wieweit sein Mandat reicht. Da muss Russland Klarheit schaffen. Der ukrainischen Seite hingegen ist das aus meiner Sicht gelungen. Aber es kann nur Fortschritte geben, wenn beide Seiten eindeutige Verhandlungsmandate mitbringen und ernsthaft zur Verhandlung gewillt sind. Das sieht im Moment nicht danach aus, auch wenn ich sicher bin, dass dieser Punkt irgendwann kommen wird.  

Verschiedene Friedensszenarien wie das Schweiz- und das Österreichmodell sind im Gespräch. Was spricht für diese Modelle? Und wie realistisch sind sie? 

Weber: Beide Modelle haben gemeinsam, dass sie den jeweiligen Ländern eine eigene Entwicklung immer ermöglicht haben und die Gesellschaften über ihren Weg, wie sie wirtschaftlich, rechtsstaatlich und sozial leben wollen, selbst entscheiden können. Aber sie vermeiden Festlegungen einer Zugehörigkeit zu bestimmten politischen Machtblöcken oder Militärbündnissen. Das wäre mit großer Wahrscheinlichkeit der richtige Weg, um aus dem Krieg in der Ukraine wieder herauszukommen.

Ließe sich eines der Modelle auf die Ukraine übertragen?

Weber: Sie können als Basis dienen für ein Modell, das natürlich die besonderen Belange von Russland und der Ukraine berücksichtigen. Es gibt viele Versäumnisse, auch in der westlichen Politik, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten dieser Entwicklung vorausgegangen sind und die dazu beigetragen haben, dass wir uns jetzt in dieser Situation befinden. Wir müssen Lösungen finden, die auf den Fall der Ukraine zutreffen, und da gilt es, bestimmte Kernprobleme zu lösen, ohne die es keinen Waffenstillstand geben wird. 

Fagen um Nato-Mitgliedschaft und Krim müssen gelöst werden

Was sind aus Ihrer Sicht die Kernprobleme von Friedensgesprächen, und wie könnten diese Probleme gelöst werden?

Weber: Die Kernprobleme waren vor 20 Jahren dieselben, die es jetzt sind und vermutlich in kommenden Jahren sein werden. Kernfrage ist die der Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Man denkt in Kiew oder Washington ganz anders als in Moskau über diese Dinge, aber am Ende kann es eine Lösung nur mit Russland und nicht gegen Russland geben, schon gar keine militärisch durchsetzbare. Es muss in der Sache geklärt werden. Und in der Sache werden wir mit Russland keinen Frieden bekommen, wenn die Ukraine aus russischer Sicht droht, weiter Mitglied der Nato zu werden. Das war vor dem Krieg so, das Problem hat die westliche Politik nicht gelöst. Wir haben auch nach 2014 wertvolle Jahre verloren, um Lösungen zu finden. Es ist sicher nicht einfacher geworden, ganz im Gegenteil. Diese Frage und jene der Krim, stehen weiterhin auf der Tagesordnung und müssen gelöst werden.

Vermessen zu glauben, dass Putin durch Schröder-Mission einlenkt

Nun hat Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ein Treffen mit Putin vereinbart. Hat er eine realistische Chance, den Kriegstreiber zu beschwichtigen? 

Weber: Wahrscheinlich nicht. Es ist wichtig, dass jeder, der irgendeinen Zugang zu Putin hat, versucht, diesen mit der Wirklichkeit zu konfrontieren, die er vermutlich nur noch sehr eingeschränkt zur Kenntnis nimmt. Es ist nicht völlig ausweglos, dass die Konfrontation Putins durch alte Freunde ein bisschen dazu beitragen kann, diesem ein realistisches Bild von den Vorkommnissen, und deren Wirkungen zu erzeugen. Aber es wäre wahrscheinlich vermessen zu glauben, dass die Schröder-Mission dazu führt, dass Putin einlenkt und den Angriff auf die Ukraine einstellt. Damit wären die Möglichkeiten Schröders bei Weitem überschätzt.   

Durch die Sanktionen steigt der Druck auf die Regierung in Russland, und das Land wird immer weiter isoliert. Wie groß ist die Gefahr für Putin, innenpolitisch unter Druck zu geraten? Und was bedeutet das für Russland?  

Weber: Das ist sehr schwer einzuschätzen. Klar ist, dass in dem Maße, in dem die Sanktionen im Alltag für eine Vielzahl von Russen schmerzhaft spürbar werden, Putin sicherlich an Rückhalt verlieren wird. Ob aber der daraus entstehende Unmut und der Widerstand Einzelner in einem Staatswesen wie in Russland, das starken Repression ausgesetzt ist, wirklich eine Chance haben wird, das wage ich nicht zu prognostizieren. Wer droht, wegen seiner Proteste bis zu 15 Jahre Haft zu erhalten, der wird sich das überlegen. Wir werden sehen, wann bei den Einschränkungen und dem Leid die Russen der Punkt erreicht ist, an dem sie massenhaft opponieren. So schnell sehe ich das allerdings nicht kommen. 

Ein politischer Umsturz in Russland ist eher unwahrscheinlich

Wie wahrscheinlich wäre also ein politischer Umsturz? 

Weber: Ein politischer Umsturz ist eher unwahrscheinlich, da die Masse der Bevölkerung nicht weiß, was geschieht. Sie werden weiterhin von den Staatsmedien in Ungewissheit gehalten. Wenn, dann wird Druck eher aus Kreisen der Funktionseliten wie den Oligarchen und aus der Wirtschaft sowie aus Teilen des Militärs ausgeübt. Sie sehen, dass nicht nur der russischen Armee schwere Verluste zugefügt werden.

Wie geht es in den kommenden Wochen weiter? 

Weber: Das ist schwer zu sagen. Im Moment sieht es so aus, dass die Russen die militärische Lösung, also die Unterwerfung der Ukraine, nicht erzwingen können, so gerne sie es auch wollen. Es gelingt offenkundig nicht. Ob die Ukrainer diesen Widerstand über Wochen durchhalten, halte ich inzwischen für möglich. Das würde irgendwann wieder die Chancen erhöhen, dass die Sanktionen in stärkerem Ausmaß wirken. Aber wir alle können nicht das Interesse haben, dass es Wochen oder gar Monate so weitergeht.

Ausweitung des Krieges muss mit allen Mitteln verhindert werden

Dagegen sprechen die Leiden der Ukrainer, die Tag für Tag immer stärker werden, bis zu dem Punkt, an dem wir es kaum mehr ertragen können. Es ist ein Krieg der Bilder. Auch das erzeugt Handlungsdruck. Es wird sich auch bei uns die Stunde nähern, in der es heißt: Wir müssen mit der Nato intervenieren und dem Schrecken ein Ende setzen, koste es, was es wolle. Auch hier werden sich aberwitzige Stimmen mehren, die zum Marsch auf Kiew durch Nato-Staaten aufrufen. Aber eine Ausweitung dieses Krieges muss unter allen Umständen verhindert werden.

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