SpecialUkraine-Krieg
  1. Nachrichten
  2. Politik
  3. Ausland
  4. Ukraine-Krise
  5. Ukraine-Krieg: Warum der Westen militärische erste rote Linien ziehen muss

Gastbeitrag: Putin agiert brutal: Der Westen muss jetzt militärisch rote Linien ziehen
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Wladimir Putin spricht in einem Fernsehstudio über russische Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine
DW Wladimir Putin spricht in einem Fernsehstudio über russische Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine
  • FOCUS-online-Gastautor

Zu Beginn der vierten Kriegswoche kann selbst Putin nicht mehr leugnen: Seine Armee tötet mit unfassbarer Brutalität gezielt Zivilisten in der Ukraine. Beim Städtekrieg agiert Putin nun so gnadenlos wie einst Hitler bei der Belagerung Leningrads. Zeit, dass das West-Militär zumindest humanitär in der Ukraine interveniert - allerdings nicht unter Nato-Kommando.

Die mit einem Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision - ohne Mehrkosten für Sie! Mehr Infos

Kriege zu beginnen, ist für einen alleinherrschenden Staatschef relativ einfach: Man gibt seinem Militär die entsprechenden Befehle und beginnt zu schießen. Doch nur dieser erste Schritt ist in eigener Hand. Denn nach dem ersten Moment kommt vieles - häufig jedenfalls - ganz anders als vorausgesehen oder erwartet. Manchmal hat man anfangs Glück. Adolf Hitler z.B. kam mehrfach erfolgreich durch mit seinen Angriffen auf andere Länder. Die Besetzung und Zerschlagung der Tschechoslowakei im März 1939 gelang noch ohne Krieg nahezu problemlos. Die Besetzung Norwegens (und Dänemarks) im April 1940 stand teilweise „Spitz auf Knopf“, aber wurde dann doch zum Erfolg.

Ab Mai 1940 wurde Frankreich in vier Wochen niedergeworfen, was dem deutschen Kaiserreich in den vier Jahren des Ersten Weltkrieges nicht gelungen war. Hitler - ein unbezwingbarer Führer? Ein Jahr später versuchte der deutsche Diktator, berauscht vom eigenen Übermut und einer grandiosen Selbstüberschätzung, kurzerhand noch die Sowjetunion zu zerschlagen. Nach zwei Wochen riesiger Anfangserfolge notierte der Generalstabschef des Deutschen Heeres Franz Halder in seinem Tagebuch, man gehe sicher nicht fehl in der Annahme, dass dieser Feldzug in nur zwei Wochen gewonnen wurde. Es wurden fast vier blutige Jahre und eine deutsche Niederlage sondergleichen daraus. Am Ende lag Hitlers Reich mit fast der ganzen Welt im Krieg, und auf beiden Seiten waren in dieser Zeit Millionen von Menschen gestorben.

Putin holt Geschichte in die Gegenwart

 

Wiederholt sich Geschichte? Mit seinem unprovozierten Überfall auf die Ukraine hat Wladimir Putin am 24. Februar 2022 die Strukturen der Nachkriegsordnung von 1945 ff. unwiederbringlich zertrümmert. Der Staatenkrieg ist zurückgekehrt, und eine Nuklearmacht von 143 Mio Einwohnern versucht mitten in Europa, sein westliches Nachbarvolk mit unfassbarer Brutalität unter seine Knute zu zwingen. Was in den ersten Tagen noch fast wie ein „normaler Krieg“, also von professionellem Militär gegen anderes Militär anmutete, wenn auch sicher nicht wie ein „chirurgischer Krieg“, das wandelte spätestens in der dritten Woche dieses Feldzuges sein Gesicht. Man kann nicht mehr von versehentlichen Fehlschüssen sprechen.

(Anzeige)

Buchtipp: "Konfliktraum Arktis.: Die Großmächte und der Hohe Norden" von Joachim Weber bei Amazon

Es ist absolut offenkundig, dass das russische Militär in großem Stil und voller Absicht auf Wohnblocks und Fernsehtürme, auf Hospitäler und zivile Infrastrukturen schießt, und damit nicht nur tausende Zivilisten tötet, sondern auch ebenso ungerührt Hunderttausende in ihren laufend beschossenen Städten einkesselt und dem Tod durch Erfrieren, Verhungern und Verdursten auszusetzen gewillt ist. Von „humanitären Korridoren“ ist so gut wie nichts zu sehen. Hat ausgerechnet der St. Petersburger Wladimir Putin die Leiden der Leningrader von 1941-1944, in deren Stadt er 1952 hineingeboren wurde, komplett vergessen und verdrängt?

Experte Sicherheitspolitik Cassis Universität Bonn
jw Experte Sicherheitspolitik Cassis Universität Bonn

Zur Person: Joachim Weber

Dr. Joachim Weber ist Senior Fellow am strategischen Thinktank CASSIS der Universität Bonn und beschäftigt sich mit Fragen strategischer Vorausschau. Er ist Russland- und Arktisexperte, studierter Osteuropahistoriker und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit sicherheitspolitischen Fragestellungen. Jüngste Veröffentlichungen umfassen zwei Bücher zu den geopolitischen Entwicklungen in der Arktis.

Die ganze Welt sieht in einer noch nie dagewesenen Dichte von Fernsehbildern und YouTube-Clips, von Twitter und WhatsApp-Nachrichten das entsetzliche Morden, das von Woche zu Woche verschlimmert wird. Russland ist binnen Tagen zu einem weltweit verabscheuten Paria-Staat geworden. Ganz wenige, mehr als zweifelhafte beleumdete Freunde sind geblieben. Und der Rest der Welt steht gleichsam mit geballten Fäusten in den Hosentaschen am Zaun, zum ohnmächtigen Zuschauen verurteilt. - Oder etwa doch nicht? Wirksame Sanktionen eines nie dagewesenen Ausmaßes wurden beschlossen und auf den Weg gebracht. Sie werden die russische Wirtschaft binnen Wochen, spätestens Monaten nahezu paralysieren.

Warum die Nato weiterhin nicht intervenieren sollte

 

Der Westen liefert den Ukrainern neben anderen Dingen hochwirksame Panzer- und Flugabwehrwaffen, welche die Widerstandskraft des bedrängten Landes bedeutend erhöht haben. Die ukrainische Armee kann sich wider alle Erwartungen auch weiterhin behaupten. Putin schafft es nicht, sie zu zerstören. Und dennoch, auch die tapferen Verteidiger der Ukraine können nicht verhindern, dass Putin Zielwechsel befiehlt und nunmehr die ganze Zerstörungskraft seiner Waffen immer stärker gegen die wehrlose Zivilbevölkerung richtet. Dieser Terror soll jeden Widerstand des Landes brechen, wohl auch die Lebensgrundlagen der Ukraine zerstören und Millionen in die Flucht treiben. Das Kalkül dahinter wohl: Auch dadurch den Westen zu schwächen, denn wer kann 10 oder 15 Millionen Flüchtlinge auf Dauer beherbergen und versorgen?

Dass wir nicht mehr gegen Putins Angriffskrieg unternehmen, hat einen einzigen Grund: Russlands furchterregendes Nuklearwaffenarsenal. Die Drohung mit dessen Einsatz hält den Westen weiter fern. Damit kann Putin bislang vorzüglich kalkulieren, und er spielt gekonnt auf der Klaviatur unserer Ängste. Vor Kriegsbeginn wurde ihm bereits versichert, die Nato werde nicht militärisch intervenieren. Wie gut für ihn! Und auch jetzt wollen wir das nicht tun, und wir können es auch nicht tun.

Direkte Kriegshandlungen der Nato, etwa die Durchsetzung einer sogenannten „Flugverbotszone“ über der Ukraine, würde in direkten Luftkrieg und damit Krieg mit Russland einmünden. Dieses Risiko bleibt unkalkulierbar, und daher ist an der Ablehnung einer solchen Idee festzuhalten. Und dennoch: Es ist ein relativ weiter Weg von Putins steten Drohungen bis hin zum wirklichen Atomkrieg, der auch mit der Auslöschung seines Regimes und Russlands enden würde. Beides will er nicht.

Wie weit wollen wir gehen?

 

Ginge es nach Putin, es wäre keine einzige Panzerfaust geliefert worden. Aber der Westen liefert in großem Stil. Dies muss Russland hinnehmen, weil es das nicht ändern kann. Keine von Putins wirklich roten Linien ist damit überschritten worden. Aber wo ist die Grenze, und wie weit können wir gehen? Wenn der eingeschlagene Weg, den Druck auf Russland durch Sanktionen und durch Waffenlieferungen aufzubauen und zu erhöhen, richtig ist, dann stellt sich auch jeden Tag und jede Woche die Frage neu, wie weit wir noch gehen können und wollen und welche Risiken wir dabei tragen wollen.

Ganz klar ist: Russlands Militär hat sich bereits mit der Ukraine verhoben. Moskaus Verluste sind empfindlich. Diese Armee ist schon nach 3 Wochen Krieg weniger als zuvor einer offenen Auseinandersetzung mit der westlichen Allianz gewachsen. Das weiß niemand besser als das russische Militär selbst, das nicht die geringste Lust verspüren dürfte, mit der transatlantischen Allianz in einen direkten Schlagabtausch zu geraten.

Es bleibt das Problem des Oberbefehlshabers: Wie stark fühlt Putin sich angesichts des Scheiterns seiner Angriffstrategie gegen Kiew in die Enge gedrängt, dass er voreilig zur nuklearen Eskalation greifen würde? Wahrscheinlich nicht sehr schnell, aber Fehler wären hier auf beiden Seiten fatal, das Risiko ist nicht gering, und es wird nicht geringer, sondern steigt parallel mit dem strategischen Scheitern von Putins Angriffskrieg. Nur deswegen scheint Putin jetzt gesprächsbereiter in den Verhandlungen mit der Ukraine, und Ziel muss bleiben, ihm aus Gründen der Vernunft weiter die Chance auf einen gesichtswahrenden Ausstieg nicht zu verbauen, sondern sogar aktiv darauf hinzuwirken.

Nato-Intervention wäre fatal, aber befreundete Staaten können helfen

 

Klar ist: Die zivilisierte Welt wird, auch unter der Macht der Bilder, dem Morden nicht noch Wochen oder Monate zusehen können. Wieviele Leichen von Frauen und Kindern unter dem gezielt zerbombten Theater von Mariupol oder einem anderen Gebäude am Ende aus dem Schutt gebuddelt sein werden, ist fast schon zweitrangig. Es wird von Tag zu Tag schwieriger werden, wegzuschauen, und der Handlungsdruck im Westen wird damit wachsen. Wann werden wir mutiger, so wie bei den Panzerfäusten? Rote Linien und Eskalationsschritte, sie können in beide Richtungen gezogen werden und Folgen nach sich ziehen.

Putin will, dass man ihn gewähren lässt. Er führt Krieg in einem fremden Land. Einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates bekommen wir gegen Russlands Veto nicht. Eine Intervention der Nato können wir aus unserer Gesamtverantwortung für die Bürger Europas und der ganzen Welt nicht riskieren. Die Nato muss weiter bereit stehen, um bei einem Angriff auf das Gebiet der Allianz sofort energischen Widerstand zu leisten, nicht früher und nicht später.

Aber: Die Ukraine ist ein souveräner Staat. Sie kann sich befreundete Streitkräfte anderer Länder jederzeit auf ihr Territorium einladen. Nicht die der Nato als Nato. Aber einzelne Staaten, die den Mut und die Fähigkeit aufbringen, tätig zu werden. Vielleicht nähert sich der Punkt, über humanitäre Schutzzonen auf Bitten der ukrainischen Regierung nachzudenken, welche sie in eigener Souveränität in ihrem eigenen Land definieren könnte. Etwa in einer Zone von 50 oder 100 km einwärts der Westgrenze des Landes zu Polen.

Schutzzonen - erster Schritt in Richtung Ziel?

 

Kowel und Lemberg könnten damit vor Zerstörung und Besetzung geschützt werden In diesem noch unzerstörten Gebiet könnten Millionen Ukrainer aufgenommen und versorgt werden. Diese definierten Schutzzonen müssten wohl mit Flieger- und Raketenabwehr versehen werden. In Frage kommen für einen solchen Schritt grundsätzlich Kräfte der drei westlichen Nuklearmächte, also solche der USA, der Briten oder der Franzosen.

Ein Schritt zu viel? Ein Schritt näher an den Abgrund? Nicht völlig ausgeschlossen, aber ziemlich unwahrscheinlich. Die Alternative: Noch Monate Krieg, Hunderttausende, vielleicht Millionen Opfer. Und womöglich im Ergebnis der Aggressorstaat Russland als neuer, direkter Nachbar an der EU-Außengrenze. Wollen wir das sehen? Können wir das ertragen und verantworten? Führen wir die Diskussion besser jetzt: Welche roten Linien ziehen wir? Oder: Wieviel Mut zum Risiko bringen wir auf?

Füllt Deutschland Putins „Kriegskasse“? Habeck widerspricht ARD-Mann

FOCUS online/Wochit Füllt Deutschland Putins „Kriegskasse“? Habeck widerspricht ARD-Mann
Zum Thema
Millionen Deutsche schlucken Vitamin-Pillen - dabei sind nur drei sinnvoll

„Produzieren im besten Fall teuren Urin“

Millionen Deutsche schlucken Vitamin-Pillen - dabei sind nur drei sinnvoll

Nie wieder Kalorien zählen! Mit dieser 80:20-Regel bleiben Sie schlank

Ernährungs-Doc Matthias Riedl

Nie wieder Kalorien zählen! Mit dieser 80:20-Regel bleiben Sie schlank

So wird Ihr Rasen garantiert grüner als beim Nachbarn

Richtige Pflege

So wird Ihr Rasen garantiert grüner als beim Nachbarn

Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch