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Neues US-Sicherheitsbündnis "Aukus": "Eine Schockwirkung für Europa"


"Eine Schockwirkung für Europa"

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 17.09.2021Lesedauer: 6 Min.
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Technologietransfer für die Australier: amerikanisches Atom-U-BootVergrößern des Bildes
Technologietransfer für die Australier: amerikanisches Atom-U-Boot (Quelle: imago-images-bilder)

Die USA schließen im Pazifik ein neues Sicherheitsbündnis, das Folgen für die ganze Welt hat. Die Gefahr für Europa: Es wird weiter marginalisiert. Davor warnt der Asien-Experte Maximilian Mayer.

Herr Mayer, Deutschland steckt im Endspurt zum Wahlkampf. Die Amerikaner verändern derweil im Pazifik auf der anderen Seite der Welt die politische Landkarte. Was geht dort vor sich?

Maximilian Mayer: Die USA haben gemeinsam mit Großbritannien und Australien ein neues verteidigungspolitisches Bündnis mit dem Namen "Aukus" geschaffen. Zum ersten Mal, mit Ausnahme Großbritanniens in den 1950er-Jahren, haben die Amerikaner beschlossen, nukleare Antriebstechnologien für Atom-U-Boote weiterzugeben, in diesem Fall an Australien.

Was bedeutet das langfristig?

Es besiegelt eine neue sicherheitspolitische Allianz, die sich auf den Raum Asien-Pazifik konzentriert. Insofern manifestiert sich hier das, was Ex-US-Präsident Barack Obama als Politik des "Asian Pivot" angekündigt hatte. All das wurde lange und unter strikter Geheimhaltung vorbereitet und kommt nun innerhalb weniger Tage zum Abschluss. Das schafft eine neue Sicherheitsarchitektur, welche die nächsten Jahrzehnte bestimmen wird. Es sollte nicht übersehen werden, dass es dabei um viel mehr geht als um ein paar neue Unterseeboote für die australische Marine. Eine neue anglozentrische Infrastruktur für Verteidigung soll neueste Technologien im Bereich Künstliche Intelligenz, Quanten-Computer, Cybersicherheit und einiges mehr bündeln.

Was hat Europa davon zu erwarten?

Das Ganze kann eine Schockwirkung für Europa entfalten. Für die EU ist der Pazifik aus rein strategischer Sicht wichtig. Insbesondere Frankreich hat dort sicherheitspolitische Interessen. Deutschland hat eine vor allem wirtschaftlich geprägte Asien-Pazifik Strategie. Die EU ist bei dem Dreierbündnis "Aukus" nicht dabei. Das hat gerade Frankreichs Regierung extrem verärgert, auch weil im Zuge dieses Nukleartechnologietransfers eine vorher vereinbarte Lieferung von dieselbetriebenen Unterseebooten an Australien gescheitert ist. Die strategische Verbindung zwischen Frankreich und Australien wurde damit erst einmal in die zweite Reihe verwiesen.

Die Europäer sind wieder nur Zuschauer?

Zum einen düpiert das die Militärmacht Frankreich. Denn die Briten als Ex-EU-Mitglied spielen eine zentrale Rolle, während die französische Rüstungsindustrie gerade einen 56-Milliarden-Euro-Auftrag verloren hat. Aus globaler Perspektive bedeutet dieser Schritt der Amerikaner eine weitere geopolitische Marginalisierung Europas. Die EU kann nur hoffen, in Zukunft daran teilnehmen zu können. Im Rahmen der Nato wird das in irgendeiner Weise auch geschehen, aber eben nachgeordnet, nicht in der ersten Reihe. Die Frage ist also: Welche Rolle wollen die Europäer überhaupt bei dieser Nuklearisierung des Pazifiks spielen? Und was kann die transatlantische Sicherheitsgemeinschaft zum Beispiel im Falle eines militärischen Konflikts über den Status von Taiwan leisten?

Mit ihrem Abzug aus Afghanistan hätte man den Eindruck haben können, die USA seien weltpolitisch eher auf dem Rückzug. Das sieht nun nicht danach aus.

All das folgt der Logik einer Neuausrichtung der amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik, die sich insbesondere auf den Pazifik konzentriert. Der Abzug aus Afghanistan wurde insofern vielfach völlig falsch gedeutet, wenn gesagt wurde: ein "zweites Saigon" schwäche Amerika. Man müsste viel eher sagen: Die Kräfte aus Afghanistan, dem Nahen Osten oder sogar aus Europa abzuziehen, ermöglicht die machtpolitische, ökonomische und militärische Verlagerung in den Pazifik.

Es geht um die Chinesen.

"Aukus" ist eine Reaktion auf Chinas fortschreitenden wirtschaftlichen und auch militärischen Aufstieg. Chinas Antwort kam umgehend, wenngleich eher symbolischer Natur. Neben der zu erwartenden schrillen Kritik, hat das Land offiziell darum gebeten, Mitglied der Handelszone des "Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership" (CPTPP) werden zu können. Ein Abkommen, das die USA einst im Pazifik unter dem Kürzel TTP ins Leben rufen wollten, das Präsident Trump jedoch als eine seiner ersten Amtshandlungen 2017 aufgekündigt hatte. Peking wird aber in den kommenden Wochen und Monaten seine Strategie noch weiter anpassen müssen. Dazu könnten auch militärische Androhungen gegen Australien gehören. Chinesische Militärexperten sprechen bereits davon, dass die neuen U-Boote Australien zu einem möglichen Ziel für einen Nuklearschlag machen könnten.

Was bezweckt China mit einer Mitgliedschaft im Handelsbündnis?

Die chinesische Regierung versucht hiermit, wie auch sonst überall auf der Welt, sich wirtschaftlich unentbehrlich zu machen. Eine enge gegenseitige ökonomische Verflechtung macht eine Konfrontation weniger möglich. Partner können auf diese Weise technologisch und wirtschaftlich abhängiger werden. Im Falle von Deutschland funktioniert diese Politik ganz gut. Die deutsche Bundeskanzlerin hatte zuletzt gemeinsam mit den anderen EU-Staaten das sogenannte "Umfassende Investitionsabkommen" mit China vorangetrieben. Zwar sind auch die USA wirtschaftlich sehr eng mit China verflochten. Aber die fortschreitenden militärstrategischen Entscheidungen der Amerikaner werden auch die Europäer immer stärker dahin drängen, sich letztlich klarer für eine Seite entscheiden zu müssen.

Ist so eine Entscheidung überhaupt noch möglich?

Ich glaube kaum, dass es noch zu einer klaren Entscheidung kommen muss. Wir befinden uns nicht in einer schwarz-weißen Welt eines neuen Kalten Krieges. Aber die strategischen Kosten der wirtschaftlichen Verbindung mit der chinesischen Volkswirtschaft, insbesondere für die Europäer, werden höher sein. Dass die Europäer nicht bei "Aukus" dabei sind, liegt aus amerikanischer Sicht sehr wahrscheinlich auch daran, dass sowohl Deutschland als auch die Franzosen zu eng mit den Chinesen zusammenarbeiten und eigentlich eher neutral bleiben wollen in diesem ökonomischen und geopolitischen Kräftemessen.

Können Sie diese Kosten noch genauer beschreiben?

Die Europäer gelten als weniger vertrauenswürdig, verglichen mit Australien oder Großbritannien, die etwa bei der 5G-Technologie eine sehr klare Haltung gegenüber China eingenommen haben. Dafür hat Australien dann aber auch die volle Härte chinesischer Handelsschranken zu spüren bekommen. Auch die Forderungen der Australier, stärker nach dem Ursprung des Coronavirus in China zu suchen, hat die Regierung dort verärgert. Das Signal an die USA war damit aber deutlich: Australien steht an eurer Seite. Im Falle von Großbritannien ist die Situation wegen der enormen Investitionen chinesischer Firmen wie etwa bei der Kernenergieerzeugung weniger eindeutig. Nicht zufällig betonte Boris Johnson im Unterhaus, dass "Aukus" sich nicht "feindlich" gegen irgendeine andere Macht richten würde.

Die Chinesen fordern die USA ihrerseits auf, ein Denken wie in Zeiten des Kalten Krieges sein zu lassen und üben sich in Beschwichtigung. Zugleich tauchen chinesische Militärschiffe vor Alaska und Hawaii auf. Taiwan und Japan werden militärisch provoziert. Spitzt sich dieser Konflikt zu?

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Es geht um Machtprojektion und letztlich die Frage der Marine-Dominanz im West-Pazifik, aber auch im Südpazifik. Was insbesondere für Australien wichtig ist, weil China dort mit kleineren Inselstaaten kooperiert und viel investiert hat. Es gibt die Befürchtungen vor einer chinesischen Marinebasis. Japan wird in das neue Bündnis zwar nicht formell eingebunden werden, aber sicherlich eng mit dieser Formation zusammenarbeiten. Kommende Woche findet zudem der sogenannte Quad-Gipfel mit Indien, Japan, Australien und den USA statt. Die Neuformierung der Sicherheitsarchitektur in der ganzen Großregion schreitet voran. Wenn Australien über Atom-U-Boote verfügt, wird sich das Kräfteverhältnis zunächst zuungunsten Chinas verschieben. Kleinere Länder wie Singapur, Vietnam, die Philippinen und Indonesien werden ihre Sicherheitspolitik daran möglicherweise auch anpassen müssen, um nicht unter die Räder zu kommen.

Blickt man auf die Weltkarte, klingt das nach einer klaren Einkesselungsstrategie. Während die USA zwei Ozeane haben, hat China nur den Pazifik. Und der wird zunehmend versperrt.

In den USA wird von einigen eben diese Strategie diskutiert. Es geht ganz klar um Containment, also um eine Eindämmung. Natürlich ist dies eine Vokabel aus dem Kalten Krieg mit der Sowjetunion, die aus der Zeit gefallen ist. Denn trotz aller Entkoppelungsfantasien ist klar, dass das in Zeiten der Globalisierung kaum umzusetzen ist. Wir haben es vielmehr mit zwei gegenläufigen Dynamiken zu tun. Während die Spannungen auf dem militärischen und technologischen Gebiet zunehmen, steigt auch der Grad an wirtschaftlicher Verflechtung, die China auch mit der neuen Seidenstraßeninitiative und vielen Investitionen weltweit ganz gezielt vorantreibt.

Haben die deutschen Parteien auf diese Dynamiken derzeit irgendwelche Antworten?

Man merkt, dass die Idee Handel durch Wandel noch immer nicht totzukriegen ist, auch wenn eigentlich alle wissen, dass sie nicht mehr funktioniert. Wenn es aber nicht mehr darum geht, Chinas innere Entwicklung zu beeinflussen, worum dann? Tatsächlich fehlen Alternativen. Die Regierungskoalition scheint eher ratlos zu sein. Die FDP oder die Grünen wollen zwar die Menschenrechte stärker zum Maßstab machen, doch auch das ist noch keine Strategie. Im Grunde müsste sich die deutsche Wirtschaft deutlich stärker diversifizieren und die Abhängigkeit von China möglichst verringern. Dann hätte auch die Politik mehr Spielraum.

Das wird dauern. Heißt das, bis dahin werden die Deutschen allenfalls ab und zu wieder eine Fregatte in den Pazifik schicken, um den Amerikanern ihren guten Willen zu demonstrieren?

Für mehr reichen die deutschen Marine-Kapazitäten gar nicht aus. Für Deutschland wirklich entscheidend sind eine Industriepolitik, die den digitalen Spalt zu den USA und China nicht zu groß werden lässt, sowie eine im Idealfalle europäisch koordinierte Außenhandelsstrategie.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Video-Interview mit Maximilian Mayer
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