SpecialExperts
  1. Nachrichten
  2. Experts
  3. Wie Macron die Rechten in Frankreich in Schach hält

Frankreich: Nach Macrons Bodentruppen-Äußerungen: die Rechte als Friedenspartei?
  • Kommentare
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Die Äußerungen von Staatspräsident Macron über Bodentruppen haben in Frankreich hohe Wellen geschlagen.
Getty Images/Thierry Monasse/Kontributor Die Äußerungen von Staatspräsident Macron über Bodentruppen haben in Frankreich hohe Wellen geschlagen.
  • FOCUS-online-Gastautor
Montag, 25.03.2024, 11:57

Die Äußerungen von Staatspräsident Macron über Bodentruppen haben in Frankreich hohe Wellen geschlagen. Doch wie hat die Rechte darauf reagiert? Landry Charrier, ein Experte für deutsch-französische Beziehungen, nimmt die Positionen der Rechten unter die Lupe.

Welche Position hat die Rechte nach Macrons Bodentruppen-Äußerungen im Ukraine-Krieg eingenommen? 

Macrons Aussage hat bei der Rechten einiges in Bewegung gebracht, zumal sich schnell zeigte, dass eine Mehrheit der Franzosen den Äußerungen des Präsidenten ablehnend gegenüberstand. Le Pen versuchte Kapital daraus zu schlagen und bezichtigte Macron, Frankreich zu isolieren und das westliche Lager zu spalten (!). Das verfing, bis zahlreiche Länder ihm den Rücken stärkten und die Kritik nicht mehr trug.

Ängste zu schüren und sie für die eigenen Zwecke zu missbrauchen, war schon immer Bestandteil der Strategie des Rassemblement National. Marine Le Pen ließ es sich diesmal auch nicht nehmen: Frankreich sei wegen Macrons Politik schon längst Kriegspartei, sagte sie kürzlich in der Assemblée Nationale. Dass kurz darauf der russische Geheimdienstchef Sergej Naryschkin ein vergleichbares Narrativ verbreitete und Frankreich „zu einem legitimen Prioritätsziel der russischen Streitkräfte“ erklärte, lässt in diesem Zusammenhang aufhorchen. 

Über den Experten Landry Charrier

Landry Charrier
Landry Charrier

Landry Charrier ist Mitglied der CNRS-Forschungseinheit SIRICE (Sorbonne, Paris), Associate Fellow am Global Governance Institute (Brüssel) sowie am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn). Seine Schwerpunkte sind die deutsch-französischen Beziehungen im globalen Kontext sowie Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik. Er ist Ko-Produzent des Frankreich-Podcasts Franko-viel und seit März 2023 Redaktionsleiter der deutsch-französischen Zeitschrift dokdoc.

Nicht auf dem Schlachtfeld, sondern am Verhandlungstisch soll der Krieg in der Ukraine enden. Diese Forderung ist weit verbreitet. Wie steht der Rassemblement National dazu? 

Den Rassemblement National stilisiert Le Pen als Friedenspartei, nach dem Motto, wir halten die Franzosen aus dem Konflikt heraus. Einige werden an der Stelle sicherlich anmerken: Genau das hat Tino Chrupalla letztes Wochenende auf einer Tagung der sächsischen AfD gesagt. Hier endet allerdings der Vergleich, denn im Gegensatz zur AfD schließt der RN eine Unterstützung der Ukraine mit defensiven Waffen nicht aus. Das Ziel – diese These vertrat vor wenigen Tagen Jordan Bardella, der Partei-Vorsitzende: das Land in eine starke Position für künftige Verhandlungen zu bringen. Wie das zusammenpasst, wird nicht gesagt. 

Marine Le Pen wurde letztes Jahr in einem Bericht einer Untersuchungskommission der Assemblée Nationale bezichtigt, ein „Transmissionsriemen“ des Kremls gewesen zu sein. Wie spricht sie heute von Russland? 

Der RN operiert mit weit gefassten Begriffen, die in allererster Linie dazu dienen, das Feld medial zu besetzen. Denn eine Partei, die den Anspruch erhebt, an die Macht zu kommen, kann nicht umhin, sich zu außenpolitischen Fragen zu äußern. Auffällig ist dabei, dass Marine Le Pen das Wort „Russland“ kaum noch in den Mund nimmt: Das Risiko, Anlass zu öffentlichen Kontroversen zu werden, wäre viel zu groß. Das unterscheidet sie von der AfD, die sich offen dafür ausspricht – siehe das Europawahlprogramm der Partei –, engere Beziehungen mit Russland wieder aufzunehmen.

Mehr vom EXPERTS Circle

Eltern wollen meist nur das Beste für ihre Kinder. Doch darin kann auch ein Problem liegen. Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort warnt: Übertriebener Ehrgeiz führt zu überangepassten und verbogenen Kinderseelen.

Die Steuererklärung 2023 ist die ideale Möglichkeit, Geld vom Staat zurückzuerhalten. Gerade die freiwillige Abgabe kann oft lohnen. Der Staat hat einige Pauschalen und Freibeträge erhöht. Worauf Sie für 2023 besonders achten sollten, erklärt Steueranwalt Stefan Heine.

Als Marine Le Pen im Juni 2023 vor einer Untersuchungskommission „über die politische, wirtschaftliche und finanzielle Einmischung ausländischer Mächte“ zu ihren Russlandverbindungen befragt wurde und sie sich nochmal zur Annexion der Krim äußern musste, konnte sie nur mit Mühe den Schaden von sich wenden. Beim Tod von Alexei Nawalny konnte ihr jeder ansehen, wie schwer es ihr fiel, öffentlich Position zu beziehen. Das hat sie am Ende gemacht, ohne allerdings von „Mord“ zu sprechen: Das klang alles andere als überzeugend. Solche Situationen gilt es nun zu vermeiden, denn am Ende könnten sie dem Image schaden, das sie sich über die Jahre gebaut hat.

Aus demselben Grund wird nicht mehr von der Anerkennung der von Russland annektierten Krim gesprochen. Wenn auch die Situation außerordentlich ist, darf die Partei mit extremen Positionen nicht aus dem Rahmen fallen. Sie kann hier den Ton nicht vorgeben und muss mit der vorherrschenden Meinung gehen, auch wenn dies am Ende bedeutet, dass sie einige ihrer Grundüberzeugungen revidieren soll.

Die Rechte in Frankreich warnt seit vielen Jahren vor einer „Überschwemmung durch Migranten“ und einer „Zersetzung der französischen Identität“. Wie hat sie sich zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine positioniert? 

Meinungsumfragen haben früh gezeigt, dass eine große Mehrheit der Franzosen bereit war, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen, sogar bei sich zu Hause. Dieser Befund brachte der RN dazu, eine Kehrtwende „in seiner Migrationspolitik“ zu machen. Wenig später ließ die Partei wissen, man sei „selbstverständlich“ bereit, Polen zu entlasten und ukrainische Flüchtlinge ins Land zu lassen: im Namen der Genfer Flüchtlingskonvention.

Der Wink war klar: Wir halten uns an in internationale Regeln. Le Pen machte aber gleichzeitig deutlich: Bei Syrern und Afghanen habe man aber seine Meinung nicht geändert, da sie aus „wirtschaftlichen Gründen“ (!) nach Frankreich kommen wollen. Dass Eric Zemmour, der Vorsitzende der Partei Reconquête, im selben Atemzug bekräftigte, ukrainische Flüchtlinge sollten „besser in Polen bleiben“, spielten ihr in die Karten. Sie erschien als die gemäßigte, er als der radikale. Ihr Kalkül ging auf.

„Ein EU-Beitritt der Ukraine wäre völlig verrückt“, betonte Maximilian Krah im November vergangenen Jahres. Was sagt die Rechte dazu? 

Die Bauernproteste gaben dem RN die Argumente, die er benötigte, um sich der Frage anzunehmen. Bis dahin hatte sich Le Pen bedeckt gehalten. Das Nein, das sie aussprach, rechtfertigte sie nicht mit geostrategischen Argumenten (wie Orban es tut), sondern mit wirtschaftlichen Erwägungen: Dies würde den Tod der französischen Landwirtschaft bedeuten und den Zusammenbruch ganzer Wertschöpfungsketten mit sich ziehen.

Die (inzwischen teilweise rückgängig gemachte) Aussetzung von EU-Zöllen auf ukrainische Exporte sei der erste Schritt in diese Richtung. Mit dieser These steht Le Pen übrigens nicht alleine: Viele Bauernverbände, nicht nur in Polen und Ungarn, argumentieren ähnlich. Das verschafft ihren Forderungen große Resonanz.

Wie sieht es mit dem NATO-Beitritt der Ukraine aus? 

In seinem Wahlkampfprogramm 2022, „400 Vorschläge, um das Land wiederaufzurichten“, hatte Eric Zemmour gefordert, Frankreich solle einen Vertrag unterzeichnen, der den Beitritt der Ukraine (deren Existenz er 2016 in Frage gestellt hatte) zur NATO unmöglich machen sollte. Seitdem hat sich Zemmour nicht mehr zum Thema geäußert. Ähnlich wie Marine Le Pen hatte er vor dem Krieg mehrfach von seiner Bewunderung für Putin gesprochen und sogar öffentlich gesagt, „er träume von einem französischen Putin.“ Heute sucht man bei ihm vergeblich nach Spuren seiner ideologischen Nähe zum Kreml-Chef. Das Thema ist vom Tisch, zumindest was öffentliche Stellungnahmen angeht.

Für Marine Le Pen ist klar: Nicht die Ukraine, sondern Russland soll „eine strategische Partnerschaft“ mit der NATO eingehen. Die „Partnerschaft“ mit Moskau hat sie sogar in ihrem Wahlkampfprogramm 2022 festschreiben lassen, jenem Programm, das mit einem Bild von sich und Putin verziert werden sollte. Heute wird gezwungenermaßen nicht mehr davon gesprochen. Das Nein zum NATO-Beitritt der Ukraine wird nicht laut gesprochen: Doch es steht. Was aus der Ukraine in diesem Kontext werden soll, ist unklar: Orban, mit welchem sie enge Kontakte unterhält, sprach neulich von einem Pufferstaat.

Le Pen geht nicht so weit, aber klar ist: Wenn die Ukraine weder der NATO noch der EU beitritt, wird sie über kurz oder lang von Russland geschluckt. Le Pen weiß dies ganz genau. Das dürfte ihrem langjährigen Freund im Kreml gefallen. 

Häufig gestellte Fragen zu diesem Thema

Die Divergenzen bleiben. Annalena Baerbock und Stéphane Séjourné haben sich zwar in den vergangenen Tagen um Schadensbegrenzung bemüht, doch im Kern hat sich nichts am deutsch-französischen Dissens geändert. Macron hat es in Prag (5. März) noch einmal sehr deutlich gemacht: „Wir stehen gewiss vor ...

Avatar of Landry Charrier

Landry Charrier

Experte für deutsch-französischen Beziehungen sowie Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik

Macron ist redegewandt: Bei ihm muss man sehr aufmerksam zuhören und auf jedes Wort ganz genau achten. Das ist in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen, was nicht selten zu Kontroversen geführt hat. Während der Präsident noch vor einigen Wochen von einem „Krieg vor unseren Toren“ sprach, spricht er nun von ...

Avatar of Landry Charrier

Landry Charrier

Experte für deutsch-französischen Beziehungen sowie Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik

Zwei aufeinanderfolgende Besuche stehen aus meiner Sicht exemplarisch für den Stand der deutsch-französische Beziehungen. Am 21. Januar kam Emmanuel Macron nach Berlin und gedachte in einer zum größten Teil auf Deutsch gehaltenen Rede des überzeugten Europäers Wolfgang Schäuble. Der Präsident kündigte bei ...

Avatar of Landry Charrier

Landry Charrier

Experte für deutsch-französischen Beziehungen sowie Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik

Frankreich denkt strategisch, in großen Zeitkategorien. Zusammen mit de Gaulle ist Macron sicherlich der Präsident, der diese Tradition am besten verkörpert. Im Gegensatz zum Bundeskanzler, der dem Primat der Innenpolitik unterliegt, braucht er zudem keine Rücksicht auf das Parlament zu nehmen, zumindest in der ...

Avatar of Landry Charrier

Landry Charrier

Experte für deutsch-französischen Beziehungen sowie Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik

Dieser Text stammt von einem Expert aus dem FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Themenbereich und sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.

Zum Thema
Kate hat Krebs - Psychologin sagt, was das mit der Familie macht

Situation kindgerecht erklären

Kate hat Krebs - Psychologin sagt, was das mit der Familie macht

Warum die Geburtenzahlen sinken und was das für Deutschland bedeutet

Familienpsychologin ordnet ein

Warum die Geburtenzahlen sinken und was das für Deutschland bedeutet

Nach dem Narzissten: Wie eine neue Beziehung mit Vertrauen wieder gelingen kann

Es lohnt sich, dran zu bleiben

Nach dem Narzissten: Wie eine neue Beziehung mit Vertrauen wieder gelingen kann

Kommentare
Teilen Sie Ihre Meinung
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit.
Teilen Sie Ihre Meinung
Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch
Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

EuGH entscheidet über Weitergabe von Encrochat-Daten

Kommunikationssystem

EuGH entscheidet über Weitergabe von Encrochat-Daten

Macron schlägt Le Pen erstmal deutlich - Stichwahl in zwei Wochen

Präsidentschaftswahl im Newsticker

Macron schlägt Le Pen erstmal deutlich - Stichwahl in zwei Wochen

Plötzlich Friedenskanzler: Warum Olaf Scholz nun Anti-Kriegs-Versprechen gibt

„Nato ist - und wird - keine Kriegspartei“

Plötzlich Friedenskanzler: Warum Olaf Scholz nun Anti-Kriegs-Versprechen gibt