28. August 2025

"Wenn die gegenwärtige Lage nicht ausreicht, Aussetzung der Wehrpflicht zu beenden, welche dann?" - Ulrich Schlie im Interview mit Die WELT "Wenn die gegenwärtige Lage nicht ausreicht, Aussetzung der Wehrpflicht zu beenden, welche dann?"

Prof. Dr. Ulrich Schlie im Interview mit der WELT: Ulrich Schlie sieht das neue Wehrdienstgesetz als unzureichend und fordert die Rückkehr zur Wehrpflicht. Den Nationalen Sicherheitsrat hält er zwar für nötig, aber fehlerhaft konstruiert. Die Reformen von Minister Boris Pistorius bewertet er als kopflastig. Insgesamt verlangt Prof. Schlie mehr Ehrlichkeit und Konsequenz in der Sicherheitspolitik.

"Wenn die gegenwärtige Lage nicht ausreicht, Aussetzung der Wehrpflicht zu beenden, welche dann?"
"Wenn die gegenwärtige Lage nicht ausreicht, Aussetzung der Wehrpflicht zu beenden, welche dann?" © iStock: huettenhoelscher
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Ulrich Schlie begrüßt, dass das Bundeskabinett erstmals seit Jahren wieder im Verteidigungsministerium tagte, weil es die Bedeutung von Sicherheit und Verteidigung unterstreicht. Das neue Wehrdienstgesetz bewertet er jedoch als unzureichend: Es mache den Dienst zwar attraktiver, könne den großen Personalbedarf der Bundeswehr aber ohne eine Rückkehr zur Pflicht nicht decken. Die vorgesehene Statusänderung für Rekruten hält er für finanziell vorteilhaft, organisatorisch jedoch für problematisch. Schlie kritisiert zudem, dass die Bundesregierung trotz der aktuellen Bedrohungslage die Wehrpflicht nicht reaktiviert, sondern parteipolitisch motiviert aufschiebt. Auch den neu beschlossenen Nationalen Sicherheitsrat hält er für notwendig, sieht aber gravierende Konstruktionsfehler, da zentrale Akteure wie der Generalinspekteur oder der BND-Präsident keinen festen Platz erhalten. Die wiederholten Strukturreformen von Verteidigungsminister Pistorius bewertet Schlie skeptisch: Sie hätten das Ministerium kopflastiger gemacht, ohne die dringend nötige strategische Steuerung und Problemlösung im Rüstungswesen voranzubringen. Insgesamt fordert er mehr Ehrlichkeit in der deutschen Sicherheitspolitik, eine nüchterne Benennung von Bedrohungen und eine konsequentere Ausrichtung staatlicher Strukturen an den realen sicherheitspolitischen Herausforderungen.

Zum Interview mit der WELT.

Prof. Dr. Ulrich Schlie ist Historiker, Politologe und seit 2020 Direktor des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) sowie Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bonn.

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